Zusammenfassung
Bakterien und andere Mikroorganismen leben im radioaktiven und giftigen Wasser der Uranmine Königstein in der Sächsischen Schweiz und bilden dort bis zu 30 Zentimeter dicke Schleimschichten. Der Artikel, der in der Sächsische Zeitung erschienen ist, erläutert zunächst ausführlich die Historie des Uranbergwerks, in dem Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) diese Bakterien seit 2008 erforschen. Erst spät kommt der Beitrag auf sein Hauptthema zu sprechen: wie es den Bakterien gelingt, in dem extremen Milieu des Bergwerks zu überleben.
Der Artikel fußt auf Erkenntnissen von Geoökologen des HDZR. Das Arbeitsfeld der Dresdener Forscher im Bergwerk wird recht anschaulich geschildert, aber wie sie methodisch vorgehen, macht der Beitrag dabei kaum deutlich. Weitere Quellen nennt der Artikel nur implizit („andere Forscher“). Es fehlt insgesamt an journalistischer Distanz, um die Erkenntnisse einzuordnen und deren Bedeutung zu erklären. Die übergroße Nähe zu den Wissenschaftlern wird auch darin deutlich, dass der Text fast gleichlautend in einem Magazin des HDZR für die Öffentlichkeit erschienen ist.
Die Relevanz des Themas bleibt weitgehend unklar. Der Beitrag beschreibt zwar interessante Forschungsergebnisse – etwa, dass Bakterien giftige Uranverbindungen umwandeln könnten; auch werden Untersuchungen in einem geplanten atomaren Endlager in Finnland kurz erwähnt. Das lässt Anwendungsmöglichkeiten in der Sanierung von Uranbergwerken oder eine Bedeutung für die Auswahl von Endlagern vermuten, wie sie in einer Pressemitteilung des HZDR auch angesprochen werden. Aber es bleibt im journalistischen Beitrag bei Andeutungen, die Leserinnen und Leser mit vielen offenen Fragen zurücklassen.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.
Es werden keine Fachpublikationen als Beleg angeführt, die Informationen stammen offenbar weitgehend von Evelyn Krawczyk-Bärsch vom Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf. In Deutschland beschäftigt sich nach unserer Kenntnis keine weitere Forschergruppe mit dem gleichen Thema. International gibt es dagegen weitere Expertise zum Thema (siehe z.B. hier und hier). Der Beitrag zieht jedoch keine weitere Quelle heran, sondern erwähnt lediglich allgemein Studien „anderer Forscher“ seit den 1970er Jahren.
4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.
5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.
Offensichtlich hat es zumindest ein Gespräch mit der zitierten Forscherin gegeben, wenn nicht sogar einen Besuch vor Ort, wie der Einstieg nahelegt. Außerdem liegt eine rund zehn Monate alte Presseinformationen des Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf über Experimente mit Mikroorganismen aus Finnland vor, die der Beitrag aber kaum nutzt (die Pressemitteilung ist zu diesem Teilaspekt weit informativer als der journalistische Beitrag). Der Beitrag erschien zuerst im populärwissenschaftlichen Magazin „entdeckt“ des HDZR, ist also die Übernahme eines PR-Textes (S. 17 ff).
6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.
7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.
8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.
9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.
10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.
Hintergrundinformationen zum Kontext fehlen; nicht einmal exemplarisch werden etwa die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Folgen des Uranbergbaus in Sachsen angesprochen; auch Angaben zu den Kosten für die Sanierung der Wismut-Grube oder zu den Kosten des geplanten Lagers in Finnland fehlen.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)
Ein aktueller Bezug fehlt. Auch die Relevanz des Themas – etwa für die Sanierung des Uranbergwerks oder die Endlagerdiskussion – bleibt unklar. Das Thema scheint zwar zunächst originell, doch macht der Beitrag zu wenig deutlich, was das Besondere an den hier entdeckten Biofilmen ist, wenn Biofilme in Bergwerksabwasser doch schon vor Jahrzehnten entdeckt wurden. Auch über die Biofilme in der Königstein-Uranmine wurden schon vor Jahren wissenschaftliche Arbeiten publiziert ( siehe z.B. hier). Insgesamt bleibt unklar, warum zum jetzigen Zeitpunkt über das Thema berichtet wird. Wir werten daher „knapp nicht erfüllt“.
2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)
Anstatt die journalistische Perspektive des Außenstehenden einzunehmen, berichtet der Beitrag weitgehend aus einer wissenschaftlichen Binnenperspektive. Alltagsrelevante Einordnungen, lebendige Sprachbilder oder interessante Vergleiche fehlen weitgehend.
Die Passage zu den Arbeiten in Finnland wirkt ungeschickt angefügt und ist so verkürzt dargestellt, dass sie weitgehend unverständlich bleibt. Das am Anfang angedeutete Reportageelement wird nicht durchgehalten und auch am Ende nicht wieder aufgegriffen.
3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)
Umweltjournalistische Kriterien: 5 von 9 erfüllt
Allgemeinjournalistische Kriterien: 1 von 3 erfüllt
Abwertung wegen mehrerer knapp erfüllter umweltjournalistischer Kriterien sowie Mängeln bei den allgemeinjournalistischen Kriterien.