Bewertet am 10. April 2015
Veröffentlicht von: RBB
Im TV -Magazin „Ozon unterwegs“ berichtet eine Sendung des Rundfunks Berlin-Brandenburg über den Themenkomplex Heizenergie und Wärmedämmung. Dabei werden zahlreiche Teilaspekte kurz angesprochen, keiner jedoch so vertieft, dass Zuschauerinnen und Zuschauer sich anhand der angebotenen Informationen ein eigenes Bild machen könnten.

Zusammenfassung

Mit einer halbstündigen Fernsehsendung aus mehreren Teilbeiträgen bewertet der Medien-Doktor diesmal ein längeres Format als sonst bei uns üblich. Wir haben dabei einerseits die Qualität der einzelnen Beiträge betrachtet, andererseits auch die Darstellung des Themas in der Gesamtschau bewertet. Differenzierungen dazu finden sich bei den einzelnen Kriterien.

Die Sendung greift mit dem Thema Heizenergie einen Bereich der Energiewende auf, der von großer Bedeutung ist, über den aber nur relativ selten umfassend berichtet wird. In sechs Teilbeiträgen werden unterschiedliche Aspekte dargestellt – vom Streit über die Wärmedämmung historischer Fassaden über isolierenden Infraleichtbeton bis zum CO2-freien Stadtquartier. So weckt der Beitrag Interesse für die Problematik, und durch das Anreißen vieler Unterthemen wird ein Großteil unserer Kriterien zumindest ansatzweise erfüllt. Allerdings werden die jeweiligen Aspekte oft nicht ausreichend vertieft, und Pro und Contra nicht nachvollziehbar abgewogen. Auf verschiedenen Ebenen stellt der Beitrag Lösungsansätze vor, doch deren jeweiliger Nutzen in Relation zu den Kosten bleibt unklar. Der wirtschaftliche Kontext wird zwar allgemein angesprochen, aber es fehlt an konkreten Informationen, so dass der Beitrag der Bedeutung des Kostenaspekts für das Thema Heizenergie insgesamt nicht gerecht wird. Auch sonst sind viele Angaben im Beitrag wenig präzise und nicht ausreichend mit Studien oder anderen nachvollziehbaren Quellen belegt.

Auswahl und Zusammenstellung der Teilaspekte scheinen uns recht willkürlich, eine Dramaturgie des Beitrags ist kaum zu erkennen. In seiner Gesamtheit zeigt der TV-Beitrag zwar auf, wie vielfältig das Thema Heizenergie ist, doch fehlt es an einer klaren und nachvollziehbaren Aussage.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht mehr verfügbar.

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Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Fernsehbeitrag stellt verschiedene Aspekte des Themas Heizung und Wärmedämmung vor; insgesamt werden die Notwendigkeit, Heizenergie zu sparen und die damit verbundenen Probleme weder übertrieben noch bagatellisiert. Im ersten Teil-Beitrag allerdings steht stark die Position derjenigen im Vordergrund, die den Erhalt historischer Fassaden gegenüber der Wärmedämmung favorisieren. Es kommen zwei Kritiker der Wärmedämmung zu Wort, zum Nutzen der Dämmung heißt es lediglich, er sei „von der Fraunhofer Gesellschaft errechnet“, aber der Schaden könne auch überwiegen, ohne dass klar würde, auf welches Gutachten sich der Beitrag hier bezieht (siehe dazu auch Kriterium 3, Quellen). Auch die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zusammengestellte guten Beispiele für die energetische Sanierung denkmalgeschützter Häuser in Berlin (siehe hier) werden nicht herangezogen. Da der Beitrag insgesamt aber Sinn wie Probleme der Dämmung vielfältig darstellt, ist das Kriterium dennoch erfüllt.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Bei den genannten Zahlen und Fakten wird oft nicht deutlich, wie sich diese ergeben. So zeigt der erste Teilbeitrag eine Infografik und erläutert: „Die Fraunhofer-Gesellschaft hat ausgerechnet, wie durch Dämmung für möglichst wenig Geld eine maximale CO2-Einsparung erreicht werden kann.“ Doch das Ergebnis der Rechnung erfährt man nicht, auch die Grafik liefert keine brauchbare Information. Der allgemeine Verweis auf eine „energieintensive Herstellung des Dämm-Materials“ ist ohne Zahlen wenig informativ – welche Materialien wieviel Energie bei der Herstellung benötigen, erfährt man nicht einmal exemplarisch. Unerwähnt bleibt, dass zur Wirtschaftlichkeit von Wärmedämmung etliche Studien vorliegen (zum Beispiel hier oder hier).

Im Beitrag wird ein Gebäude vorgestellt, bei dem die Modernisierungskosten nicht durch Einsparungen bei den Heizkosten aufgewogen werden. Ob hier wirklich nur die Mehrkosten durch Wärmedämmung in den Vergleich einbezogen wurden oder womöglich die gesamten Sanierungskosten, bleibt dabei unklar.

Infraleichtbeton wird als Alternative zur Dämmung vorgestellt, doch wie gut er im Vergleich zu anderen Baustoffen abschneidet, erfahren Zuschauerinnen und Zuschauer nicht.

Im Teilbeitrag, in dem es um den Austausch eines Heizkessels geht, heißt es: „Bis zu einem Fünftel Brennstoff könnte der neue Kessel sparen“. Woher die Angabe stammt und wie groß die Spanne möglicher Einsparungen ist, lässt der Beitrag offen.

In der Zwischenmoderation wird erwähnt, dass die angestrebte Sanierungsquote für Gebäude von einem auf zwei Prozent erhöht werden soll – wie diese Quote definiert ist und woher die Angabe stammt, erfährt man nicht.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Der Beitrag lässt viele Personen zu Wort kommen, z.B. Hausbesitzer, Energieberater, Betonforscher und den ehemaligen Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer. Die Herkunft der O-Ton-Geber ist jeweils ausreichend beschrieben, verborgene Interessenkonflikte konnten wir nicht feststellen. In anderen Punkten lässt die Quellentransparenz jedoch teils zu wünschen übrig. So ist im ersten Beitrag nicht erläutert, auf welche Fraunhofer-Studie er sich bezieht (möglicherweise ist diese gemeint). Im Teilbeitrag zur Heizungssanierung wird CO2-Online als Quelle genannt, allerdings ohne offenzulegen, dass die Videoaufnahmen ebenfalls von dort übernommen wurden (siehe Kriterium 5).

Auf welche Quellen sich der Beitrag über die Geschichte der Wärmedämmung bezieht, ist dem Beitrag nicht zu entnehmen. Wir werten insgesamt nur „knapp erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Beitrag berichtet über das Thema Heizenergie / Wärmedämmung zwar aus unterschiedlichen Perspektiven, doch eine echte Erörterung des Für und Wider kommt bei den einzelnen Aspekten nicht zustande. So wird der erste Beitrag zwar als „Meinungskrieg um die Wärmedämmung“ anmoderiert. Aber tatsächlich kommt nur eine Seite zu Wort, die aus ästhetischen oder finanziellen Gründen Einwände gegen die Wärmedämmung erhebt. Eine klare Gegenposition fehlt. Auch beim Beitrag über den Heizungsaustausch hätte man sich verschiedene Standpunkte gewünscht – warum soll hier gerade ein Gasbrennwertkessel sinnvoll sein? Welche Alternativen gibt es, die Wärmeversorgung sicher zu stellen? Andere Optionen werden nicht einmal kursorisch genannt. Ob es Einwände gegen das „Vorbild Skandinavien“ gibt, erfährt man nicht. Auch bei der Bewertung des Konzepts der EUREF AG, eines Berliner Immobilien-Projektentwicklers, für ein angeblich CO2-freies Stadtquartier fehlt jede kritische Einschätzung – der EUREF-Geschäftsführer darf sein Konzept unwidersprochen darstellen, ohne dass es von einem anderen Standpunkt aus hinterfragt wird. Es fehlt z.B. der Hinweis: Wenn man einfach Biogas einkauft, dann kann man jedes Quartier CO2-frei rechnen.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag nutzt zwar auch Pressematerial, geht aber mit der Befragung verschiedener Akteure und Drehs an diversen Standorten zu unterschiedlichen Teilaspekten des Themas weit darüber hinaus. Problematisch finden wir indes die Verwendung von Videomaterial, das von der gemeinnützigen Energieberatungsgesellschaft CO2-online stammt und nur mit einem neuen Text versehen wurde (siehe hier), ohne dass dies ausdrücklich kenntlich gemacht wird – weder in der entsprechenden Passage des Beitrags noch zumindest im Abspann. Daher werten wir nur „knapp erfüllt“. Hätten wir allein diesen Teilbeitrag bewertet, wäre das Kriterium damit „nicht erfüllt“. Nur weil die Sendung insgesamt deutlich über das Pressematerial hinausgeht, werten wir „erfüllt“.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Teilbeitrag zur historischen Entwicklung erläutert, dass es bereits seit langem Bestrebungen gibt, Heizenergie einzusparen. So wird es sicher manche Zuschauerinnen und Zuschauer überrascht haben, dass schon in den 1920er Jahren die Dämmung von Gebäuden ein systematisch untersuchtes Thema war. Die Geschichte der Dämmvorschriften ist knapp aber interessant und ordnet die aktuelle Diskussion gut ein.

7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Der Beitrag stellt eine Reihe von Optionen dar, um Gebäude klimafreundlicher zu machen: Man kann Häuser dämmen, man kann Heizungen austauschen, man kann ganze Wohngebiete durch Nahwärme umweltfreundlich versorgen. Auch die erneuerbaren Energien werden angeführt. Vom Grundsatz her ist das Kriterium damit erfüllt. Allerdings bleiben die Informationen oft oberflächlich: Dass es Sonnenkollektoren, Windräder und Heizkraftwerke gibt, ist keine Nachricht mehr. Hier hätten wir uns mehr Informationen für Zuschauerinnen und Zuschauern gewünscht. Jeder Teilbeitrag stellt nur eine Option zum jeweiligen Thema vor, ohne spezifische Vor- und Nachteile oder Alternativen zu erörtern. In einer Sendung dieser Länge wäre mehr möglich gewesen. Wir werten daher „knapp erfüllt.“

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Der Beitrag greift regionale Probleme auf (Widerstand gegen Wärmedämmung in Berlin) und benennt auch Lösungsansätze mit regionalem Bezug (Entwicklung von Ultraleichtbeton an der TU Berlin, CO2-freies Stadtquartier). Der historische Abriss macht deutlich, dass Bauweisen immer auch von regionalen Bedingungen abhingen („Die Holzknappheit in Deutschland bringt die Fachwerkwand.“, Torfhäuser in Island). Implizit wird aber klar, dass es sich bei Wärmedämmung und Heizungssanierung um ein Thema handelt, dass überall dort relevant ist, wo geheizt werden muss. Das Töpfer-Interview mit seinem Bezug auf Skandinavien weitet dann den Blick auf die internationale Ebene (Fernwärmeanschlusspflicht in Kopenhagen und das Verbot neuer Gas- und Ölheizungen in Dänemark). Die globale Dimension wird mit der Erwähnung des 2-Grad-Ziels nur knapp angesprochen.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag zur „Geschichte des Warmhaltens“ ordnet die Thematik zeitlich ein. Auch der CO2-Online-Beitrag macht deutlich, dass seit längerem am Thema Energieeffizienz an Häusern gearbeitet wird. In anderen Teilbeiträgen fehlt die zeitliche Dimension dagegen. Wichtig wäre beispielsweise die Information gewesen, dass bei der derzeitigen (geschätzten) Sanierungsrate von rund einem Prozent der gesamte Hausbestand schneller verfällt als er saniert wird. Ebenso hätte man im Teilbeitrag zu Heizungen auf die nötigen Investitionszyklen eingehen müssen. Ferner: Seit wann wird über die Dämmung historischer Fassaden gestritten? Wie lange wird schon am Leichtbeton geforscht, und wann könnte er voraussichtlich einsatzbereit sein? In welchem Zeitraum soll das geplante CO2-freie Quartier realisiert werden?

Ein Hinweis darauf, dass der Heizenergieverbrauch durch die noch immer steigenden Wohnflächen pro Kopf zusätzlich Relevanz erhält, wäre interessant gewesen. Insgesamt werten wir „knapp erfüllt“ aufgrund des informativen historischen Abrisses.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Im ersten Beitrag geht es um wirtschaftliche und kulturelle Aspekte des Themas Wärmedämmung. In der historischen Übersicht (3. Teilbeitrag) kommt ansatzweise auch die wirtschaftliche Dimension vor. In den anderen Beiträgen fehlen diese Perspektiven dagegen. Angesichts der Länge des TV-Beitrags hätten wir ausführlichere Informationen zu wirtschaftlichen Aspekten erwartet, beispielsweise zu alternativen Varianten der Wärmedämmung, zu Kosten und Nutzen einer Heizungssanierung oder zur Höhe der Investitionen für ein energetisch autonomes Stadtquartier. Auch wirtschaftliche Ursachen für den Sanierungsstau im Mietwohnungsbereich (Wann lohnt sich die Investition in Wärmedämmung für den Vermieter? Sind die Kosten für Mieter tragbar?) hätte man ansprechen können.
In Anbetracht dessen, dass Kosteneffizienz ein zentraler Punkt für das Thema Heizenergie ist, erscheint uns der wirtschaftliche Kontext nicht ausreichend genau dargestellt.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Ein aktueller Anlass für die Berichterstattung ist nicht zu erkennen. Doch ist Heizenergie ein dauerhaft aktuelles und relevantes, für die Energiewende bedeutsames Thema, über das über unserer Wahrnehmung nach vergleichsweise selten berichtet wird.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Die TV-Sendung ist insofern verständlich, als sie auf sehr einfachem Niveau über das Thema Wärme berichtet. Sie bindet verschiedene Akteure – Experten wie Betroffene – ein. Jedoch fehlt den sechs Teilbeiträgen eine inhaltliche Klammer (außer, dass sie alle irgendwie mit Heizenergie zu tun haben) und der Sendung insgesamt ein nachvollziehbarer Aufbau. Die Einzelbeiträge stehen recht unverbunden nebeneinander; warum sie gerade in der präsentierten Reihenfolge gesendet werden, erschließt sich nicht und wird auch durch die Zwischenmoderation nicht verdeutlicht. Journalistisch bedenklich finden wir die Verwendung von Video-Material eines Unternehmens ohne entsprechende Kennzeichnung.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Der Satz „Erdwärmesonden und Wärmepumpen holen heißes Wasser aus tiefen Gesteinsschichten“ ist nicht ganz korrekt. Entweder man nutzt heißes Wasser, dann benötigt man aber für die Raumheizung keine Wärmepumpe. Oder es kommen Wärmepumpen zum Einsatz, dann arbeitet man mit Sonden, die wenige 100 Meter tief reichen und dort herrschen Temperaturen von bestenfalls 20 Grad. Doch möchten wir diesen Lapsus in einem 30-Minüter nicht überbewerten, und sehen das Kriterium insgesamt als erfüllt an.

Umweltjournalistische Kriterien: 7 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Abwertung wegen 4 nur knapp erfüllter Kriterien und erheblicher Mängel beim Kriterium „Belege“.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar