Zusammenfassung
Eine im Fachmagazin „Nature“ publizierte Studie hat untersucht, ob die CO2-Emissionen sinken würden, wenn weltweit vermehrt „unkonventionelles Gas“ auf den Markt käme – Gas also, das durch das umstrittene Fracking gewonnen wird. Der Artikel in der taz erläutert, dass laut dieser Studie keineswegs die erhofften CO2-Einsparungen die Folge wären und macht klar, dass die Ergebnisse auf energiewirtschaftlichen Modellrechnungen beruhen. Diese ergaben, dass der Ausstoß von Klimagasen eher steigen würde und das Verfahren daher nicht als „Brückentechnologie“ ins Zeitalter erneuerbarer Energien tauge. Der Beitrag erläutert, dass dies im Gegensatz zu bisherigen Erwartungen steht, wie sie auch vom Weltklimarat formuliert wurden.
Die komplexen Zusammenhänge werden im Beitrag verständlich erklärt: Zwar entsteht bei der Gasverbrennung nur etwa halb so viel CO2 wie beim Verbrennen von Kohle. Doch würde das billige Gas den aktuellen Berechnungen zufolge nicht nur Kohlekraftwerke ersetzen, sondern auch Strom aus emissionsarmen Energiequellen verdrängen. Gleichzeitig würden niedrigen Gaspreise der Anreiz zum Energiesparen senken. Die meisten Berechnungen ergaben daher im Endeffekt sogar eine Erhöhung des CO2-Ausstoßes. Der schnörkellose aber sachlich gut gelungene Nachrichten-Beitrag erläutert, dass diesen Ergebnissen unterschiedliche Simulationen zugrunde liegen – wenn auch nicht immer die Spannweite der Ergebnisse angegeben wird. Es wird deutlich, dass für die Auswirkungen eines Gas-Booms auf das Klima vor allem der wirtschaftliche Kontext eine Rolle spielt.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
Der Text greift eine im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichte Studie auf, in der fünf Forschergruppen mit Computersimulationen berechnet haben, wie eine Ausweitung des Fracking sich auf den globalen Kohlendioxid-Ausstoß auswirken würde. Die Studie wird sachlich zitiert. Es wird klar, dass das Ergebnis für die Wissenschaftler überraschend ist, ohne diese Tatsache als Sensation zu überhöhen.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
Im letzten Absatz nennt der Artikel außerdem eine Studie aus der Fachzeitschrift Climatic Change zu Methanemissionen beim Fracking, die 2011 veröffentlicht worden sei. Hier hätten wir uns die Zuordnung zu einer Forschungseinrichtung gewünscht, sodass besonders Interessierte die Studie leichter finden könnten. Für die außerdem kurz erwähnten „Befürchtungen eines Expertenteams der US-Universität Stanford aus dem letzten Jahr“ wäre ebenfalls eine genauere Angabe zu Quelle und Inhalt der Studie wünschenswert gewesen.
4.PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
Es wird deutlich, dass die Gewinnung sogenannten unkonventionellen Gases durch Fracking wegen der damit verbundenen Umweltrisiken eine umstrittene Technologie ist. Gleichwohl hätten sowohl Industrievertreter als auch unabhängige Experten (etwa des Weltklimarates) bislang angenommen, dass dies eine Möglichkeit sei, den CO2-Ausstoß zu senken. Auch die Wissenschaftler, die die neue Studie vorgelegt haben, hätten mit einem spürbaren Sinken der CO2-Emissionen durch einen massiven Einsatz der Fracking-Technologie gerechnet, heißt es im Artikel. Ihre ökonomischen Modelle haben nun ergeben, dass sich diese Erwartungen nicht erfüllen. Damit werden die unterschiedlichen Positionen und Annahmen in diesem Themenfeld ausreichend deutlich. Interessant wäre es aber noch gewesen, einen Befürworter der Fracking-Technologie aus Wirtschaft oder Wissenschaft mit den aktuellen Studienergebnissen zu konfrontieren.
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung / das Pressematerial hinaus.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
Die Studie, über die berichtet wird, untersucht die globalen Auswirkungen eines Gas-Booms – das wird im Artikel ausreichend deutlich. Er stellt dar, dass die Ergebnisse von fünf Forschergruppen rund um den Erdball erarbeitet wurden; auch das unterstreicht die weltweite Bedeutung des Themas. Dass Fracking-Gas in den USA aktuell die Energiepreise und den CO2-Ausstoß gesenkt hat, erwähnt der Beitrag, macht aber zugleich deutlich, dass das der Studie zufolge nicht einfach auf die künftige globale Entwicklung zu übertragen ist. Interessant wäre noch ein Hinweis gewesen, wo ein künftiger Fracking-Boom denn stattfinden könnte.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
In der Studie geht es um eine Abschätzung der Klimawirkung von unkonventionellem Erdgas bis 2050, wie der Artikel berichtet. Damit ist der zeitliche Rahmen abgesteckt. Auch bei der Studie zum Thema Methanfreisetzung wird angegeben, auf welche Zeiträume sich die Wissenschaftler bezogen: Sie hätten befunden, „dass die Treibhausbilanz von Fracking-Gas kurzfristig sogar zwischen 20 und 100 Prozent höher sei als bei der Kohle und über einen Zeitraum von 100 Jahren vergleichbar“.
Nützlich wäre für nicht vorinformierte Leserinnen und Leser noch eine zeitliche Einordnung der Fracking-Problematik insgesamt gewesen, so etwa die Information, dass der Fracking-Boom in den USA 2008 nach der Finanzkrise begann.
10. KONTEXT / KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Der Beitrag berichtet über die Problematik des Fracking als vermeintliche Lösung für das Energie- und Klimaproblem. Dabei werden auch technische Aspekte – das dabei entweichende Methan – angesprochen. Im Mittelpunkt stehen jedoch Modellrechnungen, die die wirtschaftlichen Folgen betrachten. Zwar nennt der Beitrag nicht die in der Studie errechneten Kostengrenzen, die entscheiden, ob und wie der Einsatz von Fracking-Gas das Energiesystem beeinflusst. Er berichtet jedoch, dass der Energieverbrauch insgesamt durch das billige Gas wahrscheinlich steigen würde. Damit wird hinreichend deutlich, dass vor allem der wirtschaftliche Kontext, nämlich das Sinken der Gas- und Ölpreise, ausschlaggebend dafür ist, wie sich eine Ausweitung des Fracking aufs Klima auswirken würde.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
Die Studie ist aktuell, das Thema ist wegen der Folgen für den Klimawandel relevant und wird derzeit stark debattiert.
2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.
Der Text ist verständlich und gut strukturiert, er folgt bis zum letzten Absatz auch einer Dramaturgie (enttäuschte Erwartungen – inwiefern hatte man sich vom Fracking eine Lösung erhofft – warum wird dies nicht eingelöst – Einordnung in bisherige Erkenntnisse). Der letzte Absatz zur Ablehnung des Fracking durch Umweltverbände erscheint allerdings etwas lustlos drangehängt. Insgesamt aber ein interessanter und trotz des komplexen Themas gut zu lesender Nachrichten-Artikel.