Bewertet am 8. Oktober 2014
Veröffentlicht von: Die Welt

„Die Welt“ berichtet über einen neu entdeckten Pfeilgiftfrosch in Panama. Das winzige Tierchen sei gefährdet durch Umweltzerstörung, den Exoten-Handel und den sogenannten Chytridpilz. Ein Brutprogramm könne die Fröschchen nur für begrenzte Zeit erhalten, heißt es im Beitrag. Andere Handlungsoptionen werden nicht angesprochen, eben so wenig der gesellschaftliche und politische Kontext des Problems.

Foto: Smithsonian Tropical Research Institute

Zusammenfassung

Der Beitrag berichtet in der Rubrik „Eine Minute Bio“ über eine neu beschriebene Froschart – nur zwölf Millimeter klein – in Panama, die sofort nach ihrer Entdeckung in ein Schutzprogramm aufgenommen wurde. Der Text nimmt dies zum Anlass, auch über das weltweite Amphibiensterben zu berichten. Er stützt sich dabei zunächst stark auf eine Pressemitteilung, ordnet die Informationen jedoch dann in einen größeren Kontext ein. 

Vergleichsweise ausführlich wird in dem kurzen Beitrag beschrieben, wie der Frosch entdeckt und als bislang unbekannte Art identifiziert wurde. Die Bedrohung durch den Chytridpilz stellt der Artikel ebenfalls im Detail dar. Dagegen werden Aspekte, die durch gesellschaftliches Handeln bedingt sind (Gefährdung von Amphibien durch Tierhandel und durch Umweltzerstörung) gar zu knapp erwähnt. Die globale Dimension des Amphibiensterbens wird nicht ausreichend deutlich, mögliche Gegenmaßnahmen kommen in der Darstellung zu kurz. Die Kürze des Kolumnenformats setzt hier Grenzen, doch hätten wir uns andere Prioritäten gewünscht, um die Umweltaspekte des Themas präziser darstellen zu können.

Foto: Smithsonian Tropical Research Institute

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Der Text ist sehr sachlich geschrieben und tendiert  weder zur Übertreibung noch zur Bagatellisierung. In der Fachwelt herrscht weitgehende Einigkeit, dass der Pilz für Amphibien in Mittelamerika eine große Gefahr ist und weltweit die Fortexistenz vieler Arten bedroht. Angesichts dessen erscheint die Darstellung eher zurückhaltend.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Beitrag berichtet über die Entdeckung einer bislang nicht bekannten Froschart und beschreibt korrekt, wie die Wissenschaftler dabei vorgegangen sind, von anfänglichen Unsicherheiten, ob es sich tatsächlich um eine bislang unbekannte Art handelt, bis zum wissenschaftlichen Nachweis („Die Erbgutsequenzierung der Frösche stellte schließlich klar: Sie gehören zu einer neuen Art.“) .

Die Angaben zur Bedrohung der Frösche – die wir hier als das zentrale umweltjournalistische Thema ansehen – sind dagegen nicht ausreichend belegt, so etwa die Aussage: „In den  vergangenen Jahren sind nach Einschätzung von Experten 40 Prozent aller hiesigen  Froscharten durch die Krankheit ausgerottet worden.“ Wer sind die Experten, wie gesichert ist diese Zahl, wie wurde sie erhoben? Wir vermuten, dass die Angabe aus einem Fachaufsatz von Crawford et al. stammt, der 2010 im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences  erschienen ist (Pressemitteilung dazu) . Er bezog sich auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2004, die 63 Froscharten auf einem Gebiet von lediglich vier Quadratkilometern zum Gegenstand hatte. Wir können zwar nicht ausschließen, dass sich der Artikel noch auf weitere, nicht genannte Untersuchungen bezieht. Da die Aussagekraft der Zahl aber für Leserinnen und Leser nicht nachvollziehbar ist, werten wir „nicht erfüllt“.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Zur Entdeckung der Froschart ist eine Quelle eindeutig benannt, Interessenskonflikte sind für uns nicht erkennbar. Auch ist ein Fachaufsatz aus den Journal „Science“ benannt, der beschreibt, wie der Krankheitserreger wirkt. Die fehlenden Quellenangaben zu weiteren Aussagen haben wir bereits unter Kriterium 2, Belege, kritisiert, daher werten wir hier noch „knapp erfüllt“.

4.PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Zur Gefährdung vieler Amphibienarten werden in der Fachliteratur unterschiedliche Ursachen genannt (Pilzerkrankung, Umweltzerstörung, Tierhandel …). Eine Kontroverse darüber, dass diese Faktoren gemeinsam die Vielfalt von Amphibien dezimieren, gibt es unseres Wissens nicht, wir wenden daher dieses Kriterium nicht an.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung / das Pressematerial hinaus.

Der Text greift die Aussagen einer Pressemitteilung zu einer neu entdeckten Froschart auf und stützt sich zu großen Teilen darauf. Doch enthalten die letzten beiden Absätzen zusätzliche Informationen zum Amphibiensterben, die aus anderen Quellen stammen (wenn diese auch nicht alle genannt sind, siehe Kriterium 2). Damit wird die aktuelle Information in einen größeren Rahmen eingeordnet.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Es wird im Beitrag nicht klar, seit wann das Problem des Amphibiensterbens besteht, oder wie lange es schon bekannt ist. Es fehlt die Information, dass der Chytridpilz Frösche und andere Amphibien bereits seit Jahrzehnten dezimiert. Auch für weitere genannte Ursachen (Umweltbelastung, Tierhandel) wird nicht erläutert, seit wann diese zu einem Problem für den Fortbestand vieler Amphibienarten geworden sind.

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

Der Beitrag berichtet von der geplanten Zucht der bedrohten Frösche in Zuchtstationen und Zoos und nennt damit einen Lösungsansatz . Dieser wird als einzige Handlungsoption dargestellt, was so jedoch nicht zutrifft: Da der Pilz bereits seit vielen Jahren bekannt ist, gibt es zumindest Ansätze zu seiner Bekämpfung, etwa die gezielte Ausbildung von Resistenzen. Auch der Einsatz natürlicher Feinde (Rädertiere, Einzeller und Bakterien), die den Pilz eindämmen sollen, wird diskutiert. Der Artikel erklärt dagegen lediglich, dass es kein Mittel gegen die Verbreitung des Pilzes gebe – und nennt auch für diese Behauptung keine Quelle.

Interessant wäre außerdem zu erfahren, durch welche Umweltschutzmaßnahmen die Frösche geschützt, und wie der Handel mit den Tieren eingedämmt werden könnte – wenn dies auch im Rahmen eines solch kurzen Beitrags kaum näher ausgeführt werden kann.

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

Der Beitrag befasst sich speziell mit dem Amphibiensterben in Panama. Dass es sich um ein gravierendes globales Problem handelt, wird nur unzureichend angedeutet. Durch die unglückliche Konstruktion des Satzes („Panama gehört zu den Ländern, in denen das Amphibiensterben weltweit am heftigsten tobt”) wird nicht klar, ob das Amphibiensterben weltweit verbreitet ist, oder nur in einigen Ländern, und unter diesen in Panama am heftigsten.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Der Artikel informiert weder darüber, seit wann das Amphibiensterben andauert (siehe dazu Kriterium 6), noch berichtet er über Erwartungen zur künftigen Entwicklung des Problems. Wie rasch schreitet das  Amphibiensterben voran? Innerhalb wie vieler Jahre wurden 40 Prozent aller Froscharten Panamas ausgerottet? Über welchen Zeitraum könnten Zuchtversuche die neu beschriebene Froschart möglicherweise erhalten? Im letzten Satz wird zwar gesagt, dass dies „wohl nur für eine begrenzte Zeit“ gelingen könne. Aber von welcher Zeitspanne ungefähr die Rede ist, bleibt offen. Da nicht eine dieser zeitlichen Dimensionen genauer beschrieben ist, werten wir „nicht erfüllt“.

10. KONTEXT / KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Der Beitrag nennt drei Entwicklungen, die den neu beschriebenen Frosch bedrohen: eine Pilzerkrankung, Umweltzerstörung und den Handel mit exotischen Tieren. Die beiden letzteren sind Aspekte, die in einen gesellschaftlichen Kontext gehören. Was bedeutet hier „Umweltzerstörung“ konkret, welche Eingriffe in die Natur sind es, die den Frosch bedrohen? (Frühere Untersuchungen ergaben, dass neben der Pilzerkrankung auch der Klimawandel und eine veränderte Landnutzung dazu beitragen, dass Amphibien in vielen Ländern extrem bedroht und viele Arten bereits ausgestorben sind). Warum ist der Tierhandel nicht einzudämmen? Welche wirtschaftliche Bedeutung hat er, wer sind die Profiteure? Auch in einem so kurzen Text hätten wir erwartet, dass zumindest einer dieser Kontexte angesprochen wird. Unter umweltjournalistischen Gesichtspunkten erscheint uns dies wichtiger als die vergleichsweise ausführlich dargestellte Entdeckungsgeschichte der Froschart.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Die Entdeckung der bisher nicht beschriebenen Art bietet einen aktuellen Anlass, das dauerhaft relevante Thema Amphibiensterben aufzugreifen.

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Der Text verwendet etliche fachsprachliche  Begriffe („Reservepopulation“, „Keratin“, wissenschaftliche Artnamen), was ihn nicht unbedingt lesbarer macht. Auch enthält der Beitrag schiefe oder missverständliche Formulierungen – z.B. „das Amphibiensterben tobt“, oder die Forscher hätten eine „neue Art“ entdeckt (die natürlich nicht plötzlich neu entstanden ist, sondern nur der Wissenschaft bisher unbekannt war). Misslungen ist auch der Rückbezug in dieser Formulierung: „Deshalb haben die Forscher die neue Art auch umgehend in ein Brutprogramm aufgenommen. In Gefangenschaft sollen sie für Nachkommen sorgen…“ Demnach wären es die Forscher, die in Gefangenschaft für Nachkommen sorgen sollten…

Insgesamt ist der Beitrag aber ausreichend verständlich und mit den genannten Einschränkungen auch flüssig lesbar, wir werten daher „knapp erfüllt“.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Die Behauptung, es gebe kein Mittel gegen die Ausbreitung des Pilzes, erscheint zumindest wackelig. Ansonsten sind uns keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 3 von 9 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar