Bewertet am 15. Februar 2019
Veröffentlicht von: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Ein Verfahren, das die kostengünstige Herstellung von Solarzellen auf der Basis des Halbleiters Perowskit ermöglichen soll, wurde von Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt. Die Pressemitteilung stellt die neue Entwicklung in einem eher werblich wirkenden und zugleich für Laien wenig verständlichen Text vor.

Zusammenfassung

Die Pressmitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bezieht sich auf ein neu entwickeltes Verfahren im Bereich der Solarzellentechnologie. Anlass ist eine Veröffentlichung in der Zeitschrift „Science“ im Dezember 2017. Das Verfahren ermöglicht nach Aussage der Pressemeldung die kostengünstige Herstellung von Solarzellen auf der Basis des Halbleiters Perowskit. Damit sei es möglich, extrem dünne und biegsame Solarzellen herzustellen, die dann vielseitiger eingesetzt werden könnten als die bislang üblichen Solarzellen aus Silizium, beispielsweise an Fassaden oder in Fenstern.

Die Pressemitteilung setzt umfangreiches Vorwissen voraus; worin der erzielte technische Fortschritt besteht, wird nicht verständlich erklärt („ein generisches Verfahren (…), mit dem sich die Grenzschichten in der Solarzelle sehr präzise dotieren lassen“). Wesentliche Behauptungen werden nicht mit Zahlen belegt, vorhandene Angaben zum Wirkungsgrad nicht durch Vergleiche verständlich gemacht. Aus der Fachveröffentlichung geht hervor, dass bisher Materialien fehlten, die an der Grenzfläche des Halbleiters Elektronenlücken transportieren (die damit dort die Leitung elektrischen Stroms möglich machen), und die gleichzeitig erlauben, dass das Perowskit aus „grünen“, also die Umwelt nicht oder wenig belastenden, Lösungsmitteln aufgetragen werden kann. Dieses Problem scheint nun gelöst, was jedoch aus der Meldung nicht hervorgeht.

Die Pressemitteilung wirkt eher werblich als sachlich informativ; sie stellt ausschließlich Vorzüge der Technologie heraus und informiert nicht über problematische Aspekte, wie etwa den Bleigehalt des Materials, die in der Fachpublikation durchaus angesprochen werden. Eine Abwägung der Vorteile gegen potenzielle Nachteile oder Schwachpunkte fehlt. Insgesamt bleibt die Information sehr an der Oberfläche und ist zugleich für Laien oft unverständlich.

Den gleichen Beitrag haben Laien-Gutachter des Projekts Medien-Doktor CITIZEN bewertet.

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Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Die Pressemitteilung gibt die Ergebnisse einer Studie wieder, die die Entwicklung eines neuen Materialsystems für Solarzellen auf der Basis von Perowskiten beschreibt. Dabei werden die Vorteile in überzogener Weise angepriesen. So heißt es in der Überschrift, die neuartigen Solarzellen seien „effizient und langlebig“. Die zugrundeliegende Fachpublikation beschreibt eine Stabilität über „mehr als 1000 Stunden“. Das mag für dieses experimentelle System bemerkenswert sein, im Vergleich zu herkömmlichen Solarzellen ist es jedoch sehr wenig. Da in der Pressemitteilung die konkrete Angabe fehlt, entsteht für Laien ein völlig falscher Eindruck. Die Behauptung, die Erfindung habe „das Potential, die gedruckte Solartechnologie zu revolutionieren“, wird nicht näher begründet und erscheint angesichts der bislang offenbar erst im Labormaßstab erprobten Technologie sehr gewagt. Fragwürdig scheint uns auch die Verwendung des Begriffs „Wunderhalbleiter“.

2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Die Pressemitteilung enthält eine Reihe von Behauptungen, die nicht mit Zahlen belegt werden, siehe dazu auch Kriterium 1. Verwirrend ist es, wenn die Pressemitteilung zunächst von einem Wirkungsgrad von 21,2 Prozent spricht, der bisher von der Forschung für die Bauelementarchitektur „noch nicht erreicht“ worden sei, es andererseits kurz darauf heißt, dass die Forscher in wenigen Jahren gedruckte Solarmodule „mit einer vergleichbaren Effizienz wie Silizium demonstrieren“ wollen. Ob Solarzellen auf Basis von Perowskit nun bereits effizienter sind als bereits existierende Solarzellen auf Basis von Silizium oder doch nicht, bleibt damit unklar. Hier wäre es nötig gewesen, die verschiedenen bisher in der Praxis und experimentell erreichten Wirkungsgrade anzugeben. Irreführend ist die wiederholte Angabe, der Perowskit-Materialverbund sei „langlebig“ – tatsächlich war er im Experiment der Forscher 1000 Stunden stabil, also knapp 42 Tage. Diese wichtige Zahlenangabe fehlt in der Pressemitteilung.

3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Der federführende Wissenschaftler und sein Institut werden genannt, ebenso der Science-Artikel als Quelle. Wünschenswert wäre allerdings eine vollständige Quellenangabe zur Fachpublikation. Interessenkonflikte thematisiert die Pressemitteilung nicht, jedoch liegen den Informationen im Originalartikel zufolge auch keine besonderen Interessenkonflikte vor. Die Forschung wurde demnach ausschließlich von der DFG bzw. von öffentlichen Stellen (Ministerien bzw. Landes-Förderprogramme) gefördert; die Finanzierung der Forschungsarbeiten zu nennen, fänden wir allerdings sinnvoll. Andere Experten, die in diesem Forschungsfeld arbeiten, werden nicht herangezogen. Für Pressemitteilungen fordern wir dies jedoch nicht zwingend und werten noch „knapp erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Die Meldung beschreibt die Technologie, in der die Forscher einen Fortschritt erzielt haben, ausschließlich positiv und stellt ihre Vorteile heraus: dünne, flexible Solarzellen, die ganz neue Anwendungen ermöglichen, sowie eine energiesparende und damit auch ökonomischere Herstellung. Welche Hindernisse bis zu einer möglichen Nutzung in der Praxis noch zu überwinden sind, erfährt man nicht. Dass diese Solarzellen Blei und andere problematische Substanzen enthalten, wird nicht thematisiert. Der Nachteil der gegenüber Silizium-Solarzellen weit geringeren Lebensdauer wird verschwiegen, und pauschal behauptet, die neuartigen Solarzellen seien „langlebig“. Dies trifft allenfalls für den Vergleich mit bisherigen Perowskit-Solarzellen zu, was in der Pressemitteilung nicht deutlich wird. Insgesamt fehlt eine Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen im Vergleich zu den zurzeit gebräuchlichen und anderen in der Entwicklung befindlichen Solarzellen.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.

Dieses Kriterium ist bei Pressemitteilungen nicht anwendbar.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Die Pressemitteilung macht deutlich, dass bislang Perowskit-basierte Solarzellen nicht alltagstauglich waren und die neue Technik den effizienteren, flexibleren und kostengünstigeren Einsatz von Solarzellen ermöglicht. Ohne direkt auf die Bedeutung der regenerativen Energien einzugehen, wird dennoch das Potenzial für die Energieversorgung in der Zukunft deutlich.

Die Tragweite der wissenschaftlichen Leistung bleibt dabei etwas vage: Die Pressemitteilung erklärt nicht, ob es ultradünne, biegsame Solarzellen auf Perowskitbasis bereits gibt, und die Forscher „nur“ das Verfahren zur Herstellung entscheidend verbessert haben, oder ob ihre Leistung die Entwicklung dieser Perowskit-Solarzellen überhaupt erst möglich macht. Hier sind die Formulierungen nicht eindeutig.

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

Die Meldung stellt einen Lösungsansatz für ein verfahrenstechnisches bzw. technologisches Problem dar. Im Detail wird der Lösungsansatz zwar nicht wirklich verständlich erläutert, jedoch versteht man, dass durch die Leistung der Forscher die Herstellung billiger und vielseitig einsetzbarer Solarzellen auf den Weg gebracht werden soll. Wie sehr diese Technologie künftig zur Verbreitung der Solarenergie beitragen könnte, bleibt allerdings unklar.

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

In welchen Regionen die Technik zukünftig zum Einsatz kommen könnte, wird in der Meldung nicht thematisiert. Dies ist unseres Erachtens hier aber in diesem Entwicklungsstadium auch nicht erforderlich.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Laut der Pressemitteilung wollen die Forscher in „nur wenigen Jahren“ Prototypen gedruckter Solarmodule präsentieren, die ähnlich effizient sind wie Solarzellen auf Basis von Silizium. Diese Aussage ist indes sehr vage. Es fehlt jegliche Erläuterungen, worauf diese Einschätzung beruht, und welche Schritte bis dahin noch notwendig sind. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Die Meldung spricht zwar den Punkt Herstellungskosten an und betont mehrfach dass die Herstellung von Perowskit-Solarzellen (wenn sie einmal technisch einwandfrei funktioniert) „extrem kostengünstig“ sein werde. Es fehlen indes jegliche quantitative Angaben zu Preisen und Vergleiche mit bisherigen Solarzellen. Wie stark die Kosten ungefähr sinken könnten, bleibt damit völlig offen. Nicht erwähnt wird, ob die Herstellung dieser Solarzellen umweltfreundlicher sein wird und ob bzw. wie sich deren ökologischer Fußabdruck von Silizium-Solarzellen unterscheiden wird. Ein geringerer Energieverbrauch bei der Herstellung lässt vermuten, dass dieser womöglich günstiger ausfallen könnte. Jedoch bleibt unklar inwieweit der Einsatz von Blei und von schwefelhaltigen zyklischen Kohlenwasserstoffen (ein Polythiophenderivat, das Teil des Materialsystems ist, und in der Meldung überhaupt nicht erwähnt wird) und bislang die noch geringe Lebensdauer hier negativ zu Buche schlagen.

Darstellung

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Die Pressemeldung berichtet aktuell von Arbeiten die zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung gerade im Fachmagazin „Science“ erschienen waren, was vermutlich auch der Anlass für die Meldung war. Bei den vorgestellten Ergebnissen handelt es sich zudem um eine Variante von Solarzellen mit neuen Eigenschaften und erheblichem Potenzial, die den meisten Nicht-Fachleuten bisher noch nicht bekannt sein dürfte. Damit ist das Thema auch originell und relevant, auch wenn es an vielen konkreten Informationen fehlt (siehe dazu umweltjournalistisches Kriterium 2).

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Die Meldung vermittelt nur sehr oberflächlich, worum es bei dem beschriebenen Fortschritt geht. Es wird nicht klar, worin das Problem bisher bestand, und wie die Forscher der Lösung nähergekommen sind. Um welche Prozesse an den vielfach erwähnten „Grenzflächen“ es eigentlich geht, erfährt man nicht. Die Pressemitteilung verwendet eine Vielzahl von Fachtermini, ohne diese zu erläutern. So werden Laien kaum wissen, was ein „generisches Verfahren“ ist. Weder wird erklärt, was „inkompatible Grenzflächen“ sind, noch was es bedeutet, dass Grenzflächen von Solarzellen „sehr präzise dotiert“ werden müssen. Auch verfahrenstechnische Fachbegriffe wie „Rolle zu Rolle Druckprozesse“, Prozesse „aus der Lösung“, oder „aus der Schmelze gezogen“ werden in den Raum gestellt, ohne sie zu erklären. Die Pressemeldung ist allenfalls für Fachleute einigermaßen verständlich, und enthält für diese dann gar zu wenig konkrete Informationen.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Eine Ungereimtheit ist uns aufgefallen: In der Pressemeldung ist davon die Rede, dass die Herstellung von Perowskit-basierten Solarzellen im beschriebenen Verfahren in Lösung bei „niedrigen Temperaturen“ bzw. „bei Raumtemperatur“ erfolgen kann. Im Originalartikel ist jedoch von „unter 140°C“ die Rede, aus dem ergänzenden Material zur Publikation geht hervor, dass die Herstellungsschritte bei Temperaturen zwischen 60° und 140°C ablaufen. Verglichen mit den Temperaturen bei der Silizium-Schmelze (2000°C) ist das zwar niedrig, aber im Vergleich zu Raumtemperatur ist das hoch.

3 von 8 anwendbaren umweltjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

1 von 3 allgemeinjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

Wegen der erheblichen Mängel bei den allgemeinjournalistischen Kriterien, vor allem bei der Verständlichkeit der Darstellung, werten wir um einen Stern ab.

 

 

 

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar