Recherche-Tipp IGeL-Monitor zieht Bilanz nach fünf Jahren: Meist mehr Schaden als Nutzen

Wir hatten vor fünf Jahren schon einmal darauf verwiesen: Jeder, der über Medizin und Gesundheitsthemen berichtet, sollte den IGeL-Monitor auf seiner Recherche-Liste haben. Nach fünf  Jahren zieht das Projekt jetzt Bilanz.

IGeL steht für Individuelle Gesundheitsleistungen; es handelt sich um medizinische Verfahren und Therapien, deren Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Dazu zählen etwa Leistungen wie „Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung („Winterdepression“)“„Bachblüten-Therapie“ oder auch der „PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs“. Ob diese Angebote einen belegten Nutzen haben (der auch im Verhältnis zu den Risiken steht), ist für Patienten nur schwer zu erkennen. Der anbietende Arzt hat als Berater aber einen Interessenkonflikt oder ist möglicherweise selbst nur schlecht informiert. In diesem Fall kann die Webseite IGeL-Monitor weiter helfen.

Nach fünf Jahren zieht das Projekt des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.) nun Bilanz. Und es bestätigt sich, was viele, die sich mit dem Thema auskennen, schon ahnten. Wirklich überzeugende Angebote gibt es unter den bereits begutachteten Therapien und Verfahren nicht:

„Die Gesamtbilanz der bislang 45 Bewertungen und Beschreibungen des IGeL-Monitors fällt nicht gut aus. Vier IGeL bewerten die Wissenschaftler negativ − das bedeutet, sie sehen den Schaden deutlich höher an als den Nutzen − wie zum Beispiel bei der durchblutungsfördernden Infusionstherapie gegen Hörsturz. 17 IGeL erhalten die Bewertung tendenziell negativ – das heißt der zu erwartende Schaden ist höher als der Nutzen. Bei 15 weiteren Bewertungen kommt das Wissenschaftlerteam zum Schluss, dass die Schaden-Nutzen-Bilanz mit unklar zu bewerten ist. Nur drei IGeL werden mit tendenziell positiv bewertet; keine IGeL erhält die Bewertung positiv. Vier IGeL wie Sport-Check oder Atteste werden nicht bewertet, sondern nur beschrieben. Zwei IGeL-Bewertungen werden zurzeit aktualisiert.“ (Hervorhebung durch Red.)

Es bestätigt sich also die Prämisse, dass IGeL-Angebote zunächst skeptisch zu betrachten sind. Um so wichtiger erscheint es, solche Angebote bei der Berichterstattung kritisch zu betrachten, indem etwa die Mediziner nach Belegen für ihre Versprechen befragt werden. Im Zweifel lohnt ein vertiefender Blick auf die Seite des IGeL-Monitors, weil dort ausführlich erklärt wird, warum ein Verfahren wie bewertet wurde und ausführlich auf die Studien verwiesen wird.

(Offenlegung: Unser Gutachter Christian Weymayr war als Projektleiter am IGeL-Projekt beteiligt).


LINKS:

Webseite des IGeL-Monitor
https://www.igel-monitor.de

Pressemappe mit Statements weiterer Vertreter
https://www.igel-monitor.de/presse/pressemitteilungen/bilanz-nach-fuenf-jahren-igel-monitor.html