Neue Medien-Doktor-Kriterien

Vor etwa einem Jahr ging der neue Medien-Doktor Gesundheit an den Start. Seitdem greifen wir gezielt Vorschläge unserer Gutachterinnen und Gutachter oder von Mitgliedern der Wissenschaftspressekonferenz und anderer auf, um aktuelle Beiträge zeitnah zu bewerten. In den vergangenen Monaten haben wir naturgemäß auch viele Berichte über das Coronavirus begutachtet.

Gleichzeitig hat uns der Neustart dazu angeregt, die bisher für die Gutachten verwendeten Kriterien und deren Aufteilung zu überarbeiten. Bislang hatten wir sie in drei allgemeinjournalistische und 10 wissenschaftsjournalistische Kriterien unterteilt. Dabei hatten wir uns nicht zuletzt an internationalen Vorbildern orientiert. Auf Basis unserer inzwischen umfangreichen eigenen Erfahrungen haben wir uns nun aber entschlossen, diese noch weiter zu differenzieren, um in einem neuen, stärker modularen System eine noch genauere Einteilung in allgemeinjournalistische, wissenschaftsjournalistische und medizinspezifische Kriterien vornehmen zu können.

An den allgemeinjournalistischen Kriterien, die wir bereits seit der Gründung des Medien-Doktors Medizin im Jahr 2010 als Weiterentwicklung des US-amerikanischen Health News Review und dem Media Doctor Australia in den Bewertungen zusätzlich zu den fachspezifischen Kriterien mitberücksichtigt hatten, halten wir dabei fest. Im Rahmen der 34 bislang erstellten Gutachten des Medien-Doktors Gesundheit bestätigt sich allerdings die Erfahrung aus den Vorjahren, dass es manchen Kolleginnen und Kollegen schwerfiel, in einem einzigen Kriterium Verständlichkeit und die Attraktivität eines Beitrags differenziert zu bewerten. So kann ein Artikel zwar gut verständlich sein, aber gleichzeitig in seinen Formulierungen und seinem Aufbau wenig attraktiv sein. Abweichend vom bisherigen Kriterienkatalog können die Gutachterinnen und Gutachter daher nun in zwei verschiedenen allgemeinjournalistischen Kriterien „Verständlichkeit“ und „Attraktivität“ der Darstellung getrennt bewerten – was übrigens auch besser im Einklang mit der wissenschaftlichen Literatur zur journalistischen Qualitätsforschung steht.

Auch die primär wissenschaftsjournalistischen Kriterien haben wir entsprechend weiter differenziert. In einem fließenden Übergang haben wir dazu in einer vergleichenden Betrachtung des Medien-Doktor Gesundheit, des Medien-Doktor Umwelt und des nun (in Kooperation mit der Universität Leipzig) neuen Medien-Doktor Ernährung zunächst Kriterien aufgelistet, die für verschiedene Disziplinen des Wissenschaftsjournalismus grundsätzlich anwendbar erscheinen. Dann haben wir für den Medizinjournalismus (ebenso wie für die beiden anderen Felder) disziplinenspezifische Kriterien definiert.

So ergab sich zum Beispiel bei der vergleichenden Analyse, dass Kriterien wie die Belege/Evidenz, Interessenkonflikte und Einordnung in den Kontext keine auf den Medizinjournalismus beschränkten Bewertungspunkte darstellen. Sie lassen sich künftig auch modular für andere fachjournalistische Bereiche anwenden, um eine bessere Vergleichbarkeit der journalistischen Qualität in verschiedenen Sparten zu ermöglichen. Auch dabei haben wir – jenseits der modularen Struktur – auf der Basis der umfangreichen  Gutachtererfahrungen einzelne Kriterien neu definiert oder ehemals unter einem Punkt zusammengefasste Aspekte voneinander getrennt, um ihnen mehr Gewicht zu verleihen. So hatten unsere Gutachterinnen und Gutachter des Medien-Doktor Gesundheit beispielsweise berichtet, dass ihnen die Anwendung des recht umfassenden Kriteriums „Weitere Experten/Interessenkonflikte“ regelmäßig Problem bereitete. Daher haben wir auch dieses Kriterium nun in die Kriterien „Experten/Quellentransparenz“, „Interessenkonflikte“ und „Einordnung in den Kontext“ differenziert.

Schließlich haben wir medizinspezifische Kriterien zusammengefasst oder präzisiert, etwa die Krankheitsübertreibung/-erfindung („Disease Mongering“), die bereits in der früheren Fassung der Kriterien als eigenständiger Aspekt aufgeführt war. Diese sind – ebenso wie für Themen aus den Bereichen Umwelt und Ernährung bei den anderen Teilprojekten – nun explizit als fachspezifische (und nicht Wissenschaftsjournalismus-spezifische Kriterien generell) ausgewiesen Allzu bekannt sind Beispiele aus der Vergangenheit, in denen zum Beispiel die Schüchternheit zur Krankheit erklärt wurde.

Daraus ist nun eine neue modulare Unterteilung die drei Bereiche allgemeinjournalistische, wissenschaftspezifische und medizinspezifische Kriterien entstanden [LINK auf vergleichende Gegenüberstellung in Tabelle als pdf], die auch neue Möglichkeiten schafft, das Medien-Doktor-Projekt perspektivisch auf andere Ressort (z.B. Medien-Doktor Wirtschaft) auszudehnen. Darüber hinaus soll eine differenziertere Aufteilung der Kriterien künftig manchen Aspekten mehr Rechnung tragen und unseren Gutachterinnen und Gutachtern die Bewertung journalistischer Beiträge erleichtern.

Und wie immer freuen wir uns über Feedback und weitere Vorschläge zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Medien-Doktor-Gesamtprojekts!