Bewertet am 9. Dezember 2020
Veröffentlicht von: Allgemeine Zeitung

Die „Allgemeine Zeitung“ empfiehlt ihren Leserinnen und Lesern heimische „Superfoods“ als Alternative zu den bekannten Exoten. Belege für die behaupteten Gesundheitseffekte oder eine Einordnung durch Experten bietet der Text indes keine.

Zusammenfassung

So genannte „Superfoods“ sind eine Klasse von Lebensmitteln, deren Kennzeichen ein besonders hoher Gehalt an bestimmten Inhaltsstoffen ist, und die daher angeblich besonders gesund sein sollen. In der Regel handelt es sich um exotische Früchte. Die „Allgemeine Zeitung“ stellt in einem Artikel drei heimische Alternativen vor, die einige Vorteile gegenüber den exotischen Varianten haben sollen. Die behaupteten positiven gesundheitlichen Effekte werden indes an keiner Stelle konkret quantifiziert. Auf negative Effekte für Verbraucherinnen und Verbraucher geht der Artikel gar nicht ein. Der Text stellt bekannte Alternativen vor, erklärt indes nur oberflächlich Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Welche Belege es für die behaupteten Effekte gibt, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Es gibt keine kritische Einordung durch Expertinnen oder Experten. Im Ansatz deutlich wird, dass heimische Arten einen Vorteil hinsichtlich der Ökobilanz haben. Der gut strukturierte Text präsentiert das interessante Thema leicht verständlich, geht indes inhaltlich kaum in die Tiefe.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Im Artikel werden sowohl den exotischen wie auch den heimischen Früchten und Samen verschiedene positive Effekte zugeschrieben. In keinem Fall werden diese quantifiziert, sodass nicht deutlich wird, wie große diese angeblichen Effekte sein sollen.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Ob diese so genannten Superfoods irgendwelche Risiken und Nebenwirkungen  oder sonstige negativen Effekte für Konsumentinnen und Konsumenten haben, wird im Artikel nicht thematisiert.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten vorgestellt/verglichen.

Dies ist das eigentliche Thema des Artikels. Als Alternativen zu Açaibeere, Chiasamen und Avocado werden Sanddorn, Leinsamen und Walnüsse dargestellt. Allerdings begibt sich der Text auf glattes Eis und bedient sich in weiten Teilen derselben Rahmung wie bei den typischen Superfoods. Er leitet aus der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe besondere gesundheitsfördernde Wirkungen ab, trifft zum Teil werbliche Aussagen („Walnüsse – wahres Brainfood“), einen Vergleich der Inhaltsstoffmengen gibt es indes nicht. Der Text weist darauf hin, dass Vorteile der heimischen Arten die Ökobilanz und die Preise sind. Wir werten nur knapp „erfüllt“.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Belege für die gesundheitlichen Effekte der exotischen Früchte wie für die nachhaltigeren Alternativen werden keine beschrieben und somit auch nicht eingeordnet. Aussagen über die Wirksamkeit beschreibt der Artikel als unbestreitbare Gegebenheiten ( „(…) besonders wertvoll für Ausdauersportler (…) positive Eigenschaften, die nicht von der Hand zu weisen sind (…)“). Die Açaibeere helfe gegen Falten, Krebs, Übergewicht; woher diese Informationen stammen, und ob Studien dies belegen und wenn ja, wie deutlich, bleibt völlig unklar.

Wichtige Informationen fehlen sogar. In einem aktuellen Beitrag vom 2.10.2020 schreibt die Verbraucherzentrale z.B.: „Die Werbeaussagen zu Chia, die die Linderung gesundheitlicher Probleme versprechen, sind in Verbindung mit Lebensmitteln nicht gestattet. Es gibt bisher keine von der EU genehmigten Health Claims für Chia-Produkte.“ Auch das Bundeszentrum für Ernährung weist darauf hin, dass bisher keine Studien vorliegen, die gesundheitliche Vorteile, wie etwa bei Krebs oder Übergewicht belegen.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Eine kritische Einordnung der Behauptungen zu Superfoods durch unabhängige Expertinnen oder Experten gibt es nicht. Es werden auch keine unabhängigen Institutionen zitiert, wie etwa die Verbraucherzentrale oder das Bundeszentrum für Ernährung, die beide hilfreiche Artikel zum Thema veröffentlicht haben (siehe vorheriges Kriterium).

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Da keine Expertinnen oder Experten oder andere Institutionen im Artikel vorkommen, spielen deren potenziellen Interessenkonflikte keine Rolle. Daher wenden wir das Kriterium nicht an.

Unklar bleibt, warum einer der beiden externen Links auf einen sehr ausführlichen Erklärtext (über Blasenentzündungen) eines kommerziellen Anbieters für Inkontinenzprodukte (Teva) verlinkt, der am Ende zum Shop des Anbieters weiterleitet. Ob es sich dabei um einen bezahlten Werbelink oder einfach nur einen redaktionellen Link handelt, ohne kommerziellen Zusammenhang, lässt sich im Rahmen dieses Gutachtens nicht auflösen.

Besser wäre es gewesen zu nicht-kommerziellen und unabhängigen Seiten wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) oder Gesundheitsseiten wie Gesundheitsinformation.de zu verlinken.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.)

Die Açaibeere kommt „aus dem Amazonasgebiet“, Chiasamen „stammen ursprünglich aus Mexiko“, Avocado werden unter hohem Wassereinsatz in Südamerika angebaut. Sanddorn dagegen wächst in hiesigen Küstenregionen, Leinsamen sind Früchte des (billigen) Flachses, Walnüsse lassen sich selbst anbauen oder sammeln. Mit diesen Details stellt der Artikel klar, dass die heimischen Früchte und Samen sowohl billiger und besser verfügbar sind, als auch eine bessere Umweltbilanz haben. Einen Hinweis auf mögliche konkrete Kosten dieser Früchte und Samen wäre noch eine weitere interessante Information gewesen.

8. Die Fakten stimmen.

Da es im Artikel keinerlei Quellen zu all den behaupteten Effekten gibt, um die Aussagen zu überprüfen, wenden wir dieses Kriterium nicht an.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Pressematerial haben wir dazu zwar keines gefunden, Hinweise, dass Pressematerial die einzige Quelle war, haben wir auch nicht. Daher gehen wir davon aus, dass es sich um einen, wenn auch nur oberflächlich selbst recherchierten Beitrag handelt.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Die drei Alternativen werden abschnittsweise ihren weniger nachhaltigen Superfoods gegenübergestellt. Zwischenüberschriften hätten es Leserinnen und Lesern noch leichter gemacht. Bei einigen Aussagen gibt es im Artikel bewusst passive Formulierungen (Walnüsse: „(…) Ihnen wird nachgesagt, (…).“ oder Açaibeere: „(…) werden eine Vielzahl an (…) zugeschrieben.“ Avocados: „(…) werden seit Jahren (…) propagiert.“) Von wem die Aussagen stammen, die als absolute Fakten dargestellt werden, bleibt somit unklar. Die Quellenangaben werden umgangen. Aktive Formulierungen wären besser gewesen. Leider ist nur Sanddorn in einem Foto dargestellt. Wir werten nur knapp „erfüllt“.

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Der Text und seine Botschaft sind leicht verständlich formuliert. Der Text ist zudem gut strukturiert und übersichtlich aufgebaut. Auf Fachbegriffe wird verzichtet. Problematisch ist, dass der Artikel die Rahmung, dass so genannte Superfoods tatsächlich gesundheitliche Effekte haben, die über die anderen Früchte und Samen hinausgehen, gar nicht hinterfragt, sondern durch Informationen wie „enthält die zehnfache Menge von Vitamin C gegenüber Zitrusfrüchten“ dieses Framing noch unterstützt, obwohl in dem Artikel kein einziger Beleg genannt wird. Wir werten nur knapp „erfüllt“.

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Der Trend zu sogenannten „Superfoods“ ist ungebrochen. Vor allem in der Herbstzeit und zu Zeiten der zweiten Coronawelle ist anzunehmen, dass Verbraucher auch bei der Wahl der Lebensmittel zu einem ausgeprägten Gesundheitsbewusstsein tendieren. Regionale Alternativen zu den bekannten exotischen „Superfoods“ vorzustellen und auch ökologische Aspekte miteinzubeziehen, halten wir für relevant und interessant, zumal für ein Regionalmedium.

Journalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Wir werten aufgrund mehrerer nur knapp erfüllter Kriterien und dem völligen Fehlen an überprüfbaren Quellen um einen Stern ab.

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar