Bewertet am 8. Oktober 2020
Veröffentlicht von: RTL.de

Ballaststoffe könnten die Abwehrkräfte gegen SARS-CoV-2 stärken, schreibt RTL.de. Als Beleg verweist der Artikel auf eine vier Jahre alte Beobachtungsstudie, die das gar nicht nachweisen kann.

Zusammenfassung

Eine Frage, die viele Leserinnen und Leser interessieren dürfte, versucht der Artikel auf RTL.de zu beantworten: Kann ich mich durch die richtige Ernährung gegen eine Infektion durch SARS-CoV-2 wappnen. Laut dem Artikel könnten dies Lebensmittel mit vielen Ballaststoffen sein. Um dies zu belegen, wird indes lediglich auf eine vier Jahre alte Studie verwiesen, die diesen Zusammenhang aufgrund des Studiendesigns gar nicht kausal nachweisen kann. Um welche Studie es sich handelt, wird nicht recht deutlich und auch der vorgestellte Experte „Dr. Specht“ wird nicht weiter vorgestellt. Auch sonst macht der Artikel nicht klar, wie gut die im Artikel dargestellten positiven Effekte verschiedenster Maßnahmen belegt sind. Auf negative Effekte geht der Text gar nicht ein, warnt aber erfreulicherweise davor, dass es zurzeit gar keine Lebensmittel gibt, die vor der Ansteckung mit SARS-Cov-2 schützen. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen wie man seine Abwehrkräfte stärken kann. Der Text ist insgesamt verständlich und nachvollziehbar, auch wenn er keine Erklärungen gibt, warum etwas gut für die Abwehrkräfte ist. Ein insgesamt etwas oberflächlicher Artikel, der sich auf klare Ratschläge reduziert, ohne klar zu machen, wie sicher das Wissen dazu ist.

Title

Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Die positiven Effekte von Ballaststoffen auf das Immunsystem werden übertrieben dargestellt. Zwar werden Effekte in konkreten Zahlen beschrieben, was schon mehr ist, als in vielen anderen Berichten, doch handelt es sich zum einen um relative Angaben, die Leserinnen und Leser dazu verleiten, Effekte zu überschätzen. Zu anderen stammen die Angaben aus einer Studie, die als Beobachtungsstudie gar keine kausalen Zusammenhänge nachweisen kann, sondern lediglich Hinweise liefern kann. Sie werden indes auch schon sprachlich als klarer Zusammenhang beschrieben, obwohl es auch andere, wahrscheinlichere Erklärungen für die Effekte gibt (siehe Kriterium Belege). Es werden weitere positive Effekte beschrieben, aber bei diesen bleibt offen, wie groß die Effekte sind.

Positiv finden wir, dass der Text klar macht, dass trotz zahlreicher Versprechungen einige Produkte und Substanzen gar nichts bringen: „Lebensmittel, mit die Ansteckung mit Covid-19 verhindern, gibt es nicht. Auch auf Nahrungsergänzungsmittel kann man ruhigen Gewissens verzichten. Egal ob in Form von Vitamintabletten, als Kräuterextrakt oder als Kapsel mit Mineralstoffen – aktuell existiert kein Mittel zur Vorbeugung oder Heilung von COVID-19.“

Alles in allem werten wir „nicht erfüllt“.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Auf negative Effekte von Ballaststoffen geht der Artikel nicht ein. Auch wenn vielen Menschen bekannt sein dürfte, dass Ballaststoffe zum Beispiel unangenehme Blähungen erzeugen, wäre ein kurzer Hinweis durchaus vertretbar, weil diese durchaus so stark ausfallen können, dass sie für manche Menschen nicht in größeren Mengen genießbar sind (etwa als Müsli). Um so mehr, da der Zusammenhang zwischen einem gestärkten Immunsystem und den Ballaststoffen nicht so stark ist wie es die übertrieben Darstellung der Studienergebnisse suggeriert.

Wir halten es grundsätzlich für empfehlenswert in Artikeln zu gesundheitlichen Effekten immer auch auf Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen, auch wenn sie auf den ersten Blick vernachlässigbar erscheinen.

Wir werten knapp „nicht erfüllt“.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten vorgestellt/verglichen.

Im Artikel gibt es zahlreiche Hinweise auf Alternativen, die möglicherweise helfen, aber es wird auch deutlich gemacht, was sicher nicht hilft. Diesen Aspekt finden wir insgesamt gelungen. Auch der Hinweis, dass es zum Beispiel für Vitamin D genügt, regelmäßig nach draußen zu gehen, anstatt etwa auf Nahrungsergänzungsmittel zu setzen.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Die Evidenz der Studie zu Ballaststoffen wird nicht richtig eingeordnet und ist sogar irreführend. Zwar findet die zu Grunde liegende Studie Unterschiede in der Lungenfunktion zwischen Menschen (mit der Lungenkrankheit COPD), die im untersten Viertel der Probanden die Ballaststoffaufnahme sind gegenüber den im höchsten Viertel sind. Wie aber im Fachartikel deutlich gemacht wird, unterscheiden sich diese Gruppen sehr deutlich in der Zusammensetzung, zum Beispiel was Einkommen und vor allem das Rauchverhalten (!) angeht. Auch ist Fettleibigkeit im untersten Viertel deutlich häufiger. Das spricht stark dafür, dass die aufgewiesenen Unterschiede vor allem auf das Rauchverhalten und auch andere Faktoren zurückzuführen sind. Hier haben wir das typische Problem, dass Menschen, die sich „gesünder“ ernähren auch andere gesündere Faktoren (weniger Rauchen, besseres Körpergwicht) aufweisen und auch wohlhabender sind und Effekte kaum nur einem Faktor wie Ernährung, wenn überhaupt zugeschrieben werden können.

Deutlich wird im Artikel auch nicht, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, mit der man kausale Zusammenhänge nicht belegen kann. Da die Studie aus dem Jahr 2016 ist, stellt sich zudem die Frage, ob es nicht auch andere Untersuchungen gibt, die die Ergebnisse entweder bestätigen oder diesen widersprechen.

Wie gut andere behauptete Effekte belegt sind, bleibt offen. Als einzige Quelle dient im Artikel der Experte „Dr. Specht“; woher er sein Wissen hat, und wie sicher dieses Wissen ist, wird nicht erklärt.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es gibt zwar einen Gesundheitsexperten („Dr. Specht“), der indes nicht näher beschrieben wird. Es handelt sich offenbar um den „Hausexperten“ von RTL, was regelmäßigen Leserinnen und Lesern der Webseite und Zuschauerinnen und Zuschauern von RTL möglicherweise bekannt ist, allen anderen indes nicht. Er äußert sich auch gar nicht zur Ballaststoff-Empfehlung des Artikels.

Die Studie zu den Ballaststoffen wird zwar als „eine Studie der University of Nebraska“ beschrieben, ist ansonsten aber nur schwer zu identifizieren, da sie weder verlinkt ist, noch Angaben zum Fachmagazin und dem Veröffentlichungsjahr gemacht werden. Nach einer etwas aufwändigeren Recherche zeigt sich, dass es sich um diese vier Jahre alte Untersuchung handelt. Wir werten knapp „nicht erfüllt“.

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Es liegen bei einigen Autoren der angesprochenen Studie zwar erhebliche Interessenkonflikte vor (wie diesem Dokument zu entnehmen ist https://www.atsjournals.org/doi/suppl/10.1513/AnnalsATS.201509-609OC/suppl_file/disclosures.pdf), jedoch erscheinen sie uns im Kontext dieses Artikels keine Rolle zu spielen, sodass diese auch nicht berichtet werden müssen.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.)

Es wird deutlich, welche Lebensmittel reich an Ballaststoffen sind (wenn auch wenig Überraschendes dabei ist), inklusive eines Links, zu einem Artikel auf der Plattform, der weitere Lebensmittel nennt. Positiv ist, dass der Artikel deutlich macht, dass Vitamin D schon vor allem durch ausreichendes Tageslicht im Körper produziert wird. Kosten für die genannten Lebensmitteln sollten den allermeisten Menschen bekannt sein und müssen daher in diesem Kontext nicht erörtert werden. Ob es sich bei all dem um Erkenntnisse handelt, die vergleichsweise neu sind oder seit Jahren bekannt, wird indes nicht erklärt. Daher werten wir knapp „erfüllt“.

8. Die Fakten stimmen.

Ein zentraler Aspekt des Beitrags lautet, eine Studie zeige, dass Ballaststoffe das Immunsystem stärkten. Dies stimmt so nicht (siehe Kriterium Belege). Da es sich um eine zentrale Aussage des Beitrags handelt, werten wir das Kriterium als „nicht erfüllt“, auch wenn wir darüber hinaus keine Fehler gefunden haben.

Bei der Beschreibung der Studienergebnisse fallen einige Ungenauigkeiten auf:

Im Artikel heißt es: „Bei der Untersuchungsgruppe, die viel und häufig Ballaststoffe zu sich nahmen.“ Die Häufigkeit wurde indes nicht erfasst.

Im Artikel heißt es: “(…) hatten 70 Prozent eine gesunde Lungenfunktion.” Im Fachartikel steht 68,3 Prozent, daher wäre „knapp 70 Prozent“ oder „nahezu 70 Prozent“ eine genauere Beschreibung.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Wir haben keine Hinweise, dass der Artikel allein auf Pressematerial basiert.

 
 

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Da der Text sich darauf beschränkt, konkrete Tipps und klare Aussagen zu machen, dies in einfache Sätze packt und eine Struktur, fällt es leicht dem Artikel zu folgen Getrübt wird das Ganze durch vereinzelte sprachliche Schnitzer, die auf einen nur oberflächlichen redaktionelle Bearbeitung schließen lassen. Auch, dass es keine Links etwa zur angesprochenen Studie oder anderen weiterführenden Artikeln außerhalb des Mediums gibt, senkt die Attraktivität des Beitrags.

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Der Text ist durchaus nachvollziehbar geschrieben, verzichtet auf Fremd- und Fachwörter. Es wird indes auch wenig erklärt, warum bestimmte Lebensmittel helfen oder nicht, sondern vor allem behauptet, sodass erst gar keine komplexen Sachverhalte zu erklären wären. Dass Ballaststoffe vor allem in Vollkornprodukten vorhanden sind, ist zudem trivial.

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Das Thema ist aktuell und relevant, da davon auszugehen ist, dass viele Menschen die Frage bewegt, ob man sich gegen Covid-19 durch gesunde Ernährung schützen kann.

Journalistische Kriterien: 7 von 12 erfüllt

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar