Bewertet am 20. Juni 2020
Veröffentlicht von: RP-Online.de

Was einst Bodybuilder in Spezialgeschäften kauften, bekommen Hobbysportler heute beim Discounter. Whey-Protein soll einen erhöhten Protein-Bedarf ausgleichen und beim Muskelaufbau helfen. Der ausführliche Artikel auf RP-Online macht deutlich, dass die wenigsten das wirklich brauchen.

Zusammenfassung

Proteinpulver aus Molkeproteinen – auch als Whey-Protein bekannt – nutzen Bodybuilder und Profi-Sportler, um einen erhöhten Bedarf auszugleichen und Muskelmasse aufzubauen. Inzwischen haben es diese Nahrungsergänzungsmittel bis in die Discounter gescha!t. Der Artikel auf RP-Online erklärt ausführlich und weitgehend verständlich, was Whey-Proteine sind, und warum „Normalbürger“ und Hobbysportler sie gar nicht benötigen. Der Beitrag weist darauf hin, wann sie riskant sein könnten und welche Alternativen es in der Ernährung gibt. Ein Fachwissenschaftler ordnet das Mittel ein, bleibt aber leider – trotz der Länge des Artikels – der einzige Experte. Verweise auf aktuelle Studien gibt es gar nicht, sodass Leserinnen und Leser nicht nachvollziehen können, wie gut Aussagen über Whey-Proteine überhaupt belegt sind. Wieso die Präparate derzeit so beliebt sind und was sie konkret kosten, erfahren Leserinnen und Leser leider nicht. Vereinzelte Fehler und sprachliche Mängel trüben ein wenig das Lesen dieses ansonsten informativen Beitrags.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Im Beitrag wird mehrfach auf mögliche positive Effekte der Proteine eingegangen (z.B. im Abschnitt unter „Wofür braucht man Whey-Protein?“). Es heißt an einer Stelle zusammengefasst: „(…) sollen Muskeln wachsen und Fett schwinden lassen“. Allerdings gibt es keine konkreten Angaben, wie gut Muskeln zulegen oder wie viel man mit dem Protein abnehmen könnte.

Deutlich wird indes, „dass normale Menschen, auch Hobbysportler, mit ausreichend Eiweiß versorgt sind und darum diese Produkte nicht gebraucht werden.“ Indes fragt man sich, warum dann wiederholt darauf hingewiesen wird, wie gut und schnell Whey-Protein in die Muskeln eingebaut wird (siehe Kriterium Attraktivität).

Gut zusammengefasst wird die Aussage des Artikels auch hier: „Proteinpulver können für Menschen hilfreich sein, die im Alltag nicht genug Eiweiß über ihre Nahrung aufnehmen. Dazu können ältere oder kranke Menschen, aber auch Vegetarier und Veganer zählen, die sich nicht ausgewogen ernähren. Generell liegt die tägliche Eiweißaufnahme der Deutschen jedoch über dem empfohlenen Wert.“ Alles in allem werten wir knapp „erfüllt“.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Negative Effekte und mögliche Risiken werden in einem eigenen Abschnitt thematisiert: „Die erhöhte Aufnahme an Proteinen ist für gesunde Menschen in der Regel nicht gefährlich. Überflüssige Aminosäuren werden unter anderem in Harnsto! umgewandelt und ganz normal über die Nieren ausgeschieden. Vorsicht ist bei Erkrankungen der Niere oder der Leber geboten.“ Es wird auch von Verträglichkeitsprobleme durch „Laktose im Whey-Protein-Konzentrat“ gesprochen, wenn eine Laktoseintoleranz vorliegt, sowie vom bitteren Geschmack der Hydrolysate.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder anderen Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Es wird auch darauf eingegangen, dass man nicht nur durch Eiweißshakes seinen Proteinbedarf decken kann, sondern auch durch andere eiweißreiche Lebensmittel. Zudem macht der Beitrag deutlich, dass man trainieren muss, um einen Effekt in Sachen Muskelaufbau zu erzielen. Letztlich macht der Artikel auch klar, dass Menschen, die sich normal ernähren, keine Produkte mit Whey-Proteinen benötigen.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Der Bericht macht eine Vielzahl von Aussagen über gesundheitliche Wirkung von Eiweißen, deren Wirksamkeit im Sport, bei Diäten usw. Es wird indes auf keine einzige Studie eingegangen oder thematisiert, woher die Erkenntnisse stammen, die im Artikel referiert werden. Es bleibt unklar, wie gut all diese Behauptungen durch Studien welcher Art auch immer, belegt sind oder ob es sich nur um Erfahrungswissen handelt. Bezeichnend sind Aussagen wie „Die Einnahme von Whey-Proteinen soll den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen.“, „Experten weisen jedoch darauf hin (…),“, „Denn Eiweiß gilt als Wunderwa!e beim Kampf gegen überflüssige Kilos.“ Immerhin werden Empfehlungen der DGE zitiert (ohne, dass dies helfen würde, einzuschätzen, wie gut Whey-Protein untersucht ist) und ein Experte interviewt – doch das sind Verweise auf Eminenzwissen und nicht auf Evidenz, da auch der Experte nicht erklärt, wie gut das alles untersucht ist.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Als Experte wird ein Wissenschaftler der Universität Köln zitiert, der ein Fachmann für Sporternährung und auch Nahrungsergänzungsmittel ist, ergänzt

durch Verweise auf Empfehlungen der DGE. Angesichts der Länge des Beitrags und der zahlreichen Informationen, wäre es überzeugender gewesen, sich nicht nur auf einen Experten zu verlassen, sondern auch andere Forscher und Institutionen hinzu zu ziehen. So gibt es z.B. von der European Food Safety Authority eine Abhandlung über Gesundheitsaussagen („Health claims“) zu Whey-Protein, in denen erläutert wird, welche Behauptungen in Werbung möglich sind, weil sie durch Daten belegt sind. Wir werten nur knapp „erfüllt“.

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Interessenkonflikte scheinen nach unseren Recherchen keine vorzuliegen, müssen daher auch nicht thematisiert werden.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.).

Die Verfügbarkeit wird zwar ganz kurz thematisiert: „Ob im Fitnessstudio, beim Versandhandel für Sportlernahrung oder mittlerweile sogar im Discounter – das Geschäft mit Proteinpulver boomt.“ Aber der Kostenaspekt wird leider nur allgemein angesprochen, wie an dieser Stelle: „Die Vorzüge des Whey-Protein- Hydrolysats haben aufgrund des aufwändigen Produktionsverfahrens allerdings ihren Preis.“ Oder hier: „Ist der persönliche Favorit gefunden, schont der Kauf größerer Mengen den Geldbeutel deutlich.“ Dann versäumt es der Beitrag aber, konkrete Preise oder Preisregionen zu nennen. Es wäre auch interessant gewesen zu erfahren, seit wann Whey-Proteine auf dem Markt sind, und was der Grund dafür ist, dass dieses Produkt – obwohl weitgehend sinnlos – eine solche Verbreitung findet. Alles in allem werten wir daher knapp „nicht erfüllt“.

8. Die Fakten stimmen.

Im Artikel heißt es: „Insbesondere Kraftsportler greifen zu den Produkten, da Proteine dem Körper beim Aufbau neuer Muskelzellen helfen.“ Dass neue Muskelzellen entstehen, ist indes physiologisch beim Menschen nicht bekannt, Muskelvergrößerung erfolgt durch die Vergrößerung der Muskelzellen (siehe z.B. hier: Leitfaden zur medizinischen Trainingsberatung: Rehabilitation bis Leistungssport, (2017, S. 55) oder auch schon in der Wikipedia.

Im Artikel heißt es: „Hier sind die Proteine bereits in die kleinsten Bestandteile, die Peptide, aufgespalten und werden äußerst e“zient und in kürzester Zeit vom Körper verarbeitet.“ Peptide sind nicht die kleinsten Bestandteile der Proteine, sondern es sind die Aminosäuren, über die im gesamten Beitrag berichtet wird.

Beides sind sehr grundlegende Aspekte, teils Schulwissen, die Zweifel aufkommen lassen können zu vielen anderen Aspekte, die behauptet, aber eben nicht belegt sind (siehe Kriterium Belege/Studien). Daher werten wir das Kriterium als „nicht erfüllt“.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Pressematerial haben wir dazu keines gefunden, auch keine Hinweise, dass es sich nicht um überwiegend eigene journalistische Recherche handelt.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Der Beitrag ist in einzelne Abschnitte aufgeteilt, die jeweils eine Frage beantworten. Praktisch ist, dass die einzelnen Fragen zu Beginn verankert sind, so kann man gezielt einzelne Fragen anwählen. In einer Klickstrecke sind „zehn spannende Infos“ über Whey-Proteine zusammengefasst. Weniger gelungen finden wir, dass es immer wieder Redundanzen gibt, die den Artikel unnötig in die Länge ziehen. Dies mag dem Format geschuldet sein, bei dem einzelne Artikel direkt angewählt werden können, führt aber dazu, dass der Fließtext sehr lang wird und die Wiederholungen den Lesefreude trüben. Zwar verweist der Artikel mehrfach darauf, dass die Proteine für „Normalbürger“ und Hobbysportler unnötig seien, erklärt dann aber wiederholt die Vorzüge von Whey-Proteinen, was teilweise an PR-Texte erinnert. Wiederholt zeigt der Artikel auch sprachliche Mängel im Ausdruck, wenn es etwa heißt, Whey-Proteine würde man „einnehmen“ (als wäre es ein Arzneimitel) oder „zu sich nehmen“. Formulierungen wie „etwaige Erkrankungen“ wirken gestelzt. Im Abschnitt „Wofür braucht man Whey-Protein? erfahren Leserinnen gar nicht, wozu Whey- Protein nötig sein könnte, weil stattdessen ausführlich erklärt wird, wie hoch der Tagesbedarf an Proteinen ist.

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Im Großen und Ganzen finden wir den Artikel verständlich. Die Unterschiede etwa der verschiedenen Whey-Protein-Typen ist nachvollziehbar, auch wird deutlich, warum „Normalbürger“ und Hobbysportler eigentlich kein Whey- Protein benötigen, auch wenn sich bei einigen physiologischen Grundlagen Fehler eingeschlichen haben (siehe Kriterium Fakten), die bei Leserinnen und Lesern Zweifel aufkommen lassen können, wie korrekt andere Stellen des Artikels sind.

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Einen echten aktuellen Anlass scheint es nicht zu geben, zumindest wird keiner angegeben, außer der Behauptung: „Ob im Fitnessstudio, beim Versandhandel für Sportlernahrung oder mittlerweile sogar im Discounter – das Geschäft mit Proteinpulver boomt.“ Der Boom wird indes nicht durch Verkaufszahlen belegt. Da die Produkte inzwischen tatsächlich im Discounter erhältlich sind, was vor einigen Jahren nicht der Fall war, erscheint das Thema relevant, vor allem um deutlich zu machen, dass die Mittel im Normalfall nicht benötigt werden. Wir werten knapp „erfüllt“.

Journalistische Kriterien: 8 von 12 erfüllt

Wir werten aufgrund mehrerer nur knapp erfüllter Kriterien um einen Stern ab (von 4 auf 3 Sterne).

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar