Bewertet am 19. Juni 2020
Veröffentlicht von: Futurezone.de

Bonner Forscher entdecken in einer Maus-Studie Hinweise, dass eine zu salzreiche Ernährung das Immunsystem negativ beeinflussen könnte. Der Artikel auf Futurezone.de versucht das auf launige Art und Weise zu vermitteln, schießt indes über das Ziel hinaus.

Zusammenfassung

Bonner Forscher finden in einer Maus-Studie heraus, dass ein übermäßiger Salzkonsum negative E!ekte auf das Immunsystem von Mäusen hat, und sie finden auch Hinweise bei zehn Probanden. Der Artikel in Futurzone.de versucht seinem Publikum auf launige, aber letztlich sprachlich nicht überzeugende Art und Weise, das Thema nahe zu bringen. Dem Beitrag gelingt es, das durchaus komplexe Thema weitgehend verständlich zu erklären, kommt indes kaum über die Pressemitteilung hinaus, präsentiert keine weiteren Experten für eine kritische Einordnung und vermittelt auch nicht, was das eigentlich Neue der Studie ist. Ob solche E!ekte auch bei anderen Lebensmitteln bekannt sind, bleibt o!en. Die Ergebnisse der Studie werden Leserinnen und Leser nur sehr oberflächlich berichtet und kaum eingeordnet. Ein vorgeschaltetes Video bestehend aus Stockfotos, sphärischer Musik, Überblende!ekten und Sätzen aus dem Artikel, fasst den Text ebenso oberflächlich zusammen.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Positive Effekte stehen nicht im Zentrum dieses Artikels und der Studie, daher erwarten wir keine Quantifizierung. Deutlich wird, dass Salz ein wichtiger Mineralsto! ist, geschmacksverstärkende und würzende Wirkung hat. Interessant wären aber auch Informationen gewesen, die in der Pressemitteilung zur Studie veröffentlicht wurden: dass es auch Hinweise auf immunfördernde Effekte gibt, diese bereits bekannte immunfördernde Wirkung von Salz wird nicht erwähnt – dabei wäre diese Information wichtig, um das neue und für die Forscher „überraschende“ Ergebnis der Studie nachzuvollziehen (siehe Kriterium Kontext). Wir werten nur knapp „erfüllt“.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Der Beitrag erwähnt ganz kurz den bekannten negativen Einfluss von Salz auf den Blutdruck, aber auch die Pubertät und das Gedächtnis.
Im Fall der tierexperimentellen Untersuchungen vermittelt der Text zwar, dass eine „übermäßige Aufnahme“ offenbar das Immunsystem negativ beeinflusst: „Das Ergebnis: Mäuse, die sich normal ernährten, hatten mit einer deutlich milderen Infektion des Harnwegs zu kämpfen, als die, die mit dem Salz gefüttert wurden.“ Was sich aber konkret in welchem Ausmaß veränderte, bleibt offen.

Die einzige konkrete Darstellung in Zahlen findet sich beim Anstieg der Bakterienzahl in der Milz, wenn das Zitat aus der Pressemitteilung übernommen wird: „In Milz und Leber dieser Tiere zählten wir eine 100- bis 1.000-fache Menge der krankmachenden Keime.“ Das hört sich viel an, eine Einordnung wäre aber in diesem Fall hilfreich gewesen.

Die Ergebnisse zu den menschlichen Probanden, werden dann nur ganz kurz dargestellt, ebenfalls ohne Quantifizierung.
Zugleich wird die Darstellung des negativen E!ekts an einigen Stellen übertrieben dargestellt (an anderen indes nicht), wenn es zum Beispiel heißt: „Forscher fanden jetzt heraus, dass es sogar deiner körpereigenen Abwehr schadet, wenn du zu viel von diesem zu dir nimmst.“ Für eine solch eindeutige Aussage ist die Studie zu klein. Sie gibt höchsten Hinweise darauf.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Dass es „reichlich Gründe“ für ein geschwächtes Immunsystem gibt, wird zwar zu Beginn des Textes und auch im Video erwähnt, konkrete Beispiel werden indes nicht genannt. Ob es andere Nahrungsmittel gibt, die negative oder auch positive E!ekte auf das Immunsystem haben können, erklärt der Beitrag nicht.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Der Artikel macht zwar deutlich, dass es sich um Versuche an Mäusen und Blutanalysen bei Menschen handelt. Wie diese Belege einzuordnen sind, wird indes nicht klar. Eine Einordnung der Qualität der Belege gibt es nicht. Dass zehn Probanden ohne Kontrollgruppe eine viel zu kleine Studiengruppe sind, um eindeutige Aussagen zu machen, wie sie im Beitrag getätigt werden, wird nicht deutlich.

Positiv ist, dass darauf hingewiesen wird, dass die Studie keine Aussagen zu Viren zulässt, und dass weitere Studien geplant sind. Insgesamt ist dies indes zu wenig, damit Leserinnen und Leser verstehen können, dass es noch weit mehr Untersuchungen geben muss, bis man von eindeutigen E!ekten von Salz auf Teile des menschlichen Immunsystems sprechen kann.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es wird zwar deutlich, dass es sich um eine Studie im Fachmagazin „Science Translational Medicine“ handelt, es gibt indes keine Einschätzung durch andere, nicht an der Studie beteiligte Experten als weitere Quellen. Einzige externe Quelle ist die WHO zur maximalen Höhe des täglichen Salzkonsums.

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Laut Angaben in der Studie haben die Forscher keine Interessenkonflikte, sodass dieser Aspekt im Beitrag auch nicht angesprochen werden muss.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.).

Hier finden wir, fehlt eine entscheidende Information, die in der Pressemitteilung vermittelt wird, und die überhaupt erst verständlich macht, warum das Ergebnis eigentlich überraschend ist: Die Neuigkeit ist nicht, dass Salz das Immunsystem beeinflusst, wie es der Beitrag suggeriert, denn das war bekannt, sondern, dass es das Immunsystem negativ beeinflusst. Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass Salz eher einen positiven Einfluss haben könnte. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Der Befund kommt unerwartet, wiesen doch manche Studien gerade in die entgegengesetzte Richtung. So heilen Infektionen mit bestimmten Hautparasiten in Versuchstieren deutlich schneller aus, wenn diese eine salzreiche Kost zu sich nehmen: (…) Aus dieser Beobachtung schlossen manche Mediziner auf eine allgemein immunfördernde Wirkung von Natriumchlorid.“

8. Die Fakten stimmen.

Im Artikel heißt es: „(…) fanden Forscher des Fachmagazins Science Translational Medicine (…) heraus, (…)“. Es handelt sich nicht um Forscher des Magazins, sondern der Universitäten von Bonn und Melbourne, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin präsentieren.
Da wir darüber hinaus keine weiteren klaren Faktenfehler gefunden haben, werten wir noch knapp „erfüllt“.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Es gibt zwar einige wenige Ergänzungen, die nicht in der Pressemitteilung der Universität Bonn zu finden sind (mögliche negative E!ekte auf Pubertät und Gedächtnis), darüber hinaus entsprechen alle wesentlichen Informationen des Beitrags der Pressemitteilung (wobei eine wichtige Information gerade nicht übernommen wurde, siehe Kriterium Kontext), so entsteht für uns der Eindruck, dass die Pressemitteilung die Hauptquelle für den Artikel war.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Der Beitrag versucht Spannung zu erzeugen, indem er zunächst o!enlässt, welches alltägliche Würzmittel einen negativen E!ekt auf das Immunsystem haben könnte, und präsentiert sich wie ein Rätsel. Dies zieht sich von der Überschrift über den Teaser bis ans Ende des zweiten Absatzes, bis das Wort „Salz“ endlich erwähnt wird. Der Einstieg wird damit zu sehr in die Länge gezogen, zumal es dabei zu inhaltlichen Wiederholungen kommt, wie etwa der Hinweise, dass es sich bei der Substanz um ein „herkömmliches Mittel“ handelt, mit dem wir „bei fast jeder Mahlzeit“ für Aroma sorgen.

Der Artikel ist zwar launig geschrieben und spricht Leserinnen und Leser direkt an („Wenn du dich häufiger krank oder nicht ganz fit fühlst, könnte es sein, dass du ein schwaches Immunsystem hast.“), doch insgesamt kann er sprachlich überhaupt nicht überzeugen. Einige Sätze sind viel zu lang („Bei der gesteigerten Ausscheidung von Salz treten Defizite bei der Produktion von Enzymen auf, in deren Folge Biomoleküle freigesetzt werden, die eine ähnliche Wirkung haben, wie das Stresshormon Cortison.“). Der Beitrag verwendet zu oft Passivkonstruktionen, und enthält zu viele Nebensätze.

Der Text ist gespickt mit Füllwörtern (nämlich, sogar, übrigens). Die Formulierung „versalzene Tiere“ ist unangebracht – auch wenn Leserinnen und Leser verstehen dürften, was gemeint ist. Viele Formulierungen klingen ungelenk: „Neben einem schwächeren Immunsystem kann Salz auch dazu führen (…).“ „Dies bewies die Anzahl der im Körper der Mäuse vorkommenden Bakterien.“ „Die Erklärung liegt in den Nieren“.
Das Video gibt einen ergänzenden Zugang zum Thema und fasst die wichtigsten Aussagen des Beitrags mit Stockfotos hinterlegt zusammen. Die Sätze sind dabei fast identisch mit denen aus dem Artikel. Einen Bezug zur Alltagswelt stellt der Autor her, indem er Beispiele für salzhaltige Produkte aufzählt (Pommes, Fast Food…).

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Trotz der wenig attraktiven Darstellungsform sind die Zusammenhänge größtenteils verständlich dargestellt, obwohl es sich um durchaus komplexe Prozesse handelt. Auf Fachbegri!e wird weitgehend verzichtet, wenn nötig, werden sie erklärt (z.B. Neutrophile).

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Das Thema ist relevant, weil viele Menschen zu viel Salz konsumieren. Zudem handelt es sich um eine aktuelle Studie, die über neue, unerwartete Erkenntnisse berichtet, indes macht der Beitrag nicht klar, warum die Ergebnisse tatsächlich überraschend sind (siehe Kriterium Kontext). Daher werten wir nur knapp „erfüllt“.

Journalistische Kriterien: 5 von 12 erfüllt

Wir werten aufgrund mehrerer nur knapp erfüllter Kriterien und der sprachlich wenig ansprechenden Form um einen Stern ab (von 3 auf 2 Sterne).

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar