Bewertet am 30. Oktober 2018
Veröffentlicht von: Universität Witten/Herdecke

Ein Leitfaden für die Lebensmittelindustrie soll helfen, Lebensmittelabfälle zu vermeiden, berichtet die Universität Witten/Herdecke in einer Pressemitteilung. Welche Maßnahmen konkret vorgeschlagen werden, erfährt man allerdings nicht.

Zusammenfassung

Die Universität Witten/Herdecke berichtet über Bestrebungen, Lebensmittelabfälle in Unternehmen der Ernährungsindustrie zu vermeiden. Anlass für die Pressemitteilung ist ein Leitfaden, der vom Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung dieser Hochschule im Auftrag des NRW-Verbraucherschutzministeriums erarbeitet wurde. Ursachen dafür, dass Lebensmittelabfälle entstehen , wie Überproduktion, Qualitätssicherung etc., werden benannt und die Dimensionen des Problems beschrieben. Die Quellen für die genannten Zahlen sind jedoch nicht ausreichend präzise angegeben. Auch erfahren Leserinnen und Leser nicht, wie hoch der Anteil der Lebensmittelindustrie an den gesamten Lebensmittelabfällen ist. Welche Maßnahmen gegen die Lebensmittelverluste in den Unternehmen getroffen werden könnten, wird – anders als die Überschrift erwarten lässt – nicht berichtet. Der Text nennt nicht einmal exemplarisch einzelne Vorschläge, die im Leitfaden enthalten sind. Die Pressemitteilung bewegt sich insgesamt auf einer sehr abstrakten Ebene, praktische Beispiele oder Alltagsbezüge fehlen.

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Allgemeine Anforderungen

1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.

Die im Beitrag genannten Fakten stimmen mit den Aussagen der Publikation der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen überein. Die Angaben aus dem publizierten Leitfaden gegen Lebensmittelabfälle wurden ebenfalls korrekt wiedergegeben. Allerdings fehlt eine klare Einordnung, wie hoch der Anteil der Lebensmittelindustrie an den Verlusten ist. Wenn es heißt; … „damit dies nicht so bleibt…“, sei der Leitfaden entwickelt worden, und dabei auf die unmittelbar zuvor genannte Zahl von: „11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen“ in Deutschland Bezug genommen wird, kann der falsche Eindruck entstehen, dass die Lebensmittelindustrie den Großteil dieser Verluste verursacht. Tatsächlich beträgt deren Anteil laut Leitfaden 17 Prozent . Auch hätten wir uns eine Erläuterung dazu gewünscht, inwiefern das Einfließen von Lebensmitteln in die Futtermittelerzeugung ein Ausscheiden aus der Lebensmittelkette darstellt. Im Leitfaden selbst wird dies erläutert (S. 14). Insgesamt ist das Kriterium „eher erfüllt“.

2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.

Die Pressemitteilung ist sachlich formuliert. Sie zitiert zum einen eine Hochrechnung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und zum anderen den Leitfaden gegen Lebensmittelabfälle in Betrieben der Lebensmittelindustrie, den diese Pressemitteilung vorstellt. Es wäre allerdings interessant, hierzu auch ein Vertreter der Lebensmittelindustrie zu Wort kommen zu lassen. Wir werten daher „eher nicht erfüllt“.

3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.

Es wird klar, dass der vorgestellte Leitfaden von einem Institut der Universität Witten-Herdecke erarbeitet wurde, und dass das NRW-Verbraucherschutzministerium der Auftraggeber ist. Der Leitfaden ist in der Pressemitteilung verlinkt. Die Mitteilung benennt außerdem die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen als Quelle für die Schätzung der globalen Lebensmittelverluste. Allerdings wird nicht klar, aus welcher Studie / welchem Bericht diese Hochrechnung stammt, und wann sie veröffentlich wurde. Woher die Zahl von „schätzungsweise 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen“ in Deutschland stammt, bleibt ebenfalls unklar. Zudem erfährt man nicht, welche Unternehmen der Lebensmittelindustrie in welcher Weise in die Studie einbezogen waren. Wir werten insgesamt „eher nicht erfüllt“.

4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.

Dieses Kriterium kann nicht angewendet werden, da es sich bei dem zu beurteilenden Beitrag um eine Pressemitteilung handelt.

Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus

5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme

Die Ursachen für Lebensmittelabfälle, wie Überproduktion, Qualitätssicherung etc. werden in Bezug auf die Lebensmittelindustrie klar benannt. Sie sind Teil der Kategorisierung des erarbeiteten Leitfadens. Es werden einige weitere wichtige Verursacher genannt, wie Haushalte und Großküchen; andere fehlen, so der Einzelhandel und die Gastronomie.

Allerdings bleibt es bei einer sehr abstrakten Nennung der Ursachen, vertiefende Erklärungen fehlen. Auch wenn dies in einer Pressemitteilung nicht umfassend zu leisten ist, wären einige Beispiele hilfreich gewesen. Dennoch ist das Kriterium „eher erfüllt“.

6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.

Hier steht der Leitfaden, und damit ein Lösungsansatz, im Vordergrund. Die Pressemitteilung ordnet den Leitfaden zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in Betrieben als wirksam, jedoch nicht als Allheilmittel für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ein. Sie weist darauf hin, dass Beteiligte über die Lebensmittelindustrie hinaus zur Lösung beitragen müssen.

Die Pressemitteilung berichtet allerdings nichts über Wirksamkeit des Leitfadens z. B. auf der Grundlage von Ergebnissen seiner Erprobung in Praxistests. Was konkret könnte sich durch die im Leitfaden vorgeschlagenen Maßnahmen verbessern? Wurden die erwünschten Effekte in der praktischen Erprobung tatsächlich erzielt? Hierzu fehlen jegliche Informationen, daher „eher nicht erfüllt“.

7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.

Die Veröffentlichung des Leitfaden als Lösungsansatz zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist Anlass der Pressemitteilung. Der vorgestellte Leitfaden stellt eine Lösungsstrategie für Betriebe dar.

8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.

Die Pressemitteilung konzentriert sich auf den Leitfaden gegen Lebensmittelabfälle, welcher wiederum vor allem für Betriebe relevant ist. Es wird erklärt, dass sich die Forscher ganz bewusst für diese Zielgruppe entschieden haben, da in vergangenen Studien vor allem Privathaushalte und Großküchen im Mittelpunkt standen. Ein direkter Alltagsbezug für den Leser ergibt sich also nicht. Selbst eine knappe Angabe, wie hoch der Anteil der Verluste ist, die in privaten Haushalten anfallen (lt. Leitfaden 61 %) fehlt.

 

 

9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.

Der Text weist eingangs mit der Hochrechnung darauf hin, dass es sich um ein globales Problem handelt. Die Pressemitteilung enthält einige Informationen zu den Dimensionen der Lebensmittelverschwendung, sowohl in Deutschland als auch international. Der Fokus liegt dann auf Deutschland – zumindest ist zu vermuten, dass sich der Leitfaden auf Akteure im Inland bezieht, klare Aussagen dazu fehlen. Am Ende der Mitteilung werden dann wieder verschiedene globale Auswirkungen der Lebensmittelverschwendung thematisiert, wie Unterernährung, Ressourcenverschwendung und unnötige CO2-Emissionen. Doch stehen die einzelnen Aspekte recht beziehungslos nebeneinander, die Globalisierung/Internationalität in der Lebensmittelindustrie wird nicht als besondere „Herausforderung“ benannt. Das Kriterium ist „eher nicht erfüllt“.

10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.

Der Text stellt prominent heraus, dass er ein dauerhaft aktuelles Thema aufgreift: „Über Lebensmittelabfälle ist in den vergangenen Jahren (…) viel berichtet worden.“ Die Pressemitteilung erläutert eingangs die Relevanz des Themas und verweist darauf, dass er eine bisher eher „vernachlässigte“ Zielgruppe, nämlich die Betriebe der Lebensmittelindustrie, in den Fokus rückt.

11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.

Zwar thematisiert die Pressemitteilung Auswirkungen der Lebensmittelabfälle (z.B. unnötige CO2-Emissionen), und indirekt wird damit klar, dass die Auswirkungen des Problems nicht zeitlich eng begrenzt sind. Bezogen auf den Leitfaden als Hauptthema des Textes fehlt aber jede Einordnung in einen Zeitrahmen. Die Mitteilung spricht von dem Ziel, Lebensmittelabfälle in Betrieben zukünftig zu vermeiden. Wie kurz- oder langfristig dieses Ziel ausgelegt ist, wird jedoch nicht thematisiert, ebenso wenig, wann darin vorgeschlagene Maßnahmen zum Einsatz kommen und wann sie erste Effekte haben könnten. Darum werten wir „eher nicht erfüllt“.

Darstellung

12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.

Im Großen und Ganzen verwendet die Pressemitteilung keine unnötigen Fremdworte oder Fachbegriffe. Doch bleibt der Text auf einer sehr abstrakten Ebene – so werden die verwendeten Kategorien im Forscherjargon genannt, aber nicht erläutert, was sich beispielsweise hinter „Technische und technologische Faktoren“ oder „Rahmenbedingungen“ verbirgt. Die im Text angesprochenen „praktischen Handlungsbeispiele“ werden nicht anhand auch nur eines Beispiels anschaulich gemacht.

Die Überschrift suggeriert, dass die Mitteilung auf Vermeidungsstrategien bezüglich Lebensmittelabfällen eingeht. Solche Strategien werden jedoch nicht beschrieben, vielmehr geht es um das Vorgehen der Forscher bei der Entwicklung des Leitfadens. Damit ist das Kriterium „eher nicht erfüllt‘“.

13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.

Die Pressemitteilung enthält keine überraschenden Inhalte oder Effekte, nutzt keine Bilder, Tabellen oder Grafiken; sie erzählt keine Geschichte / hat keine Rahmenhandlung und enthält keine Beispiele, die den Text interessant machen könnten. Der Text ist damit für Laien unattraktiv.

4 von 12 anwendbaren Kriterien „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar